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PRESSEKONFERENZ

Mario Draghi, Präsident der EZB,
Vítor Constâncio, Vizepräsident der EZB,
Frankfurt am Main, 14. Dezember 2017

EINLEITENDE BEMERKUNGEN

Sehr geehrte Damen und Herren, der Vizepräsident und ich freuen uns sehr, Sie zu unserer Pressekonferenz begrüßen zu dürfen. Wir werden Sie nun über die Ergebnisse der heutigen Sitzung des EZB-Rats informieren, an der auch der Präsident der Eurogruppe, Herr Dijsselbloem, und der Vizepräsident der Kommission, Herr Dombrovskis, teilgenommen haben.

Auf der Grundlage unserer regelmäßigen wirtschaftlichen und monetären Analyse haben wir beschlossen, die Leitzinsen der EZB unverändert zu belassen. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass sie für längere Zeit und weit über den Zeithorizont unseres Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden.

Was die geldpolitischen Sondermaßnahmen betrifft, so bestätigen wir, dass der Nettoerwerb von Vermögenswerten im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme – APP) ab Januar 2018 bis Ende September 2018 oder erforderlichenfalls darüber hinaus in einem monatlichen Umfang von 30 Mrd € erfolgen soll und in jedem Fall so lange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht. Sollte sich der Ausblick eintrüben oder sollten die Finanzierungsbedingungen nicht mehr mit einem weiteren Fortschritt hin zu einer nachhaltigen Korrektur der Inflationsentwicklung im Einklang stehen, so sind wir bereit, das APP im Hinblick auf Umfang und/oder Dauer auszuweiten. Das Eurosystem wird die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere nach Abschluss des Nettoerwerbs von Vermögenswerten für längere Zeit und in jedem Fall so lange wie erforderlich bei Fälligkeit wieder anlegen. Dies wird sowohl zu günstigen Liquiditätsbedingungen als auch zu einem angemessenen geldpolitischen Kurs beitragen.

Unsere geldpolitischen Beschlüsse haben die äußerst günstigen Finanzierungsbedingungen aufrechterhalten, die noch immer für eine nachhaltige Rückkehr der Inflationsraten auf ein Niveau von unter, aber nahe 2 % erforderlich sind. Die aktuellen Daten, einschließlich der neuen von Experten des Eurosystems erstellten Projektionen, deuten auf ein hohes Expansionstempo der Wirtschaft und eine erhebliche Aufhellung der Wachstumsaussichten hin. Die kräftige Konjunkturdynamik und der beträchtliche Abbau der wirtschaftlichen Unterauslastung stärken das Vertrauen darauf, dass sich die Inflation unserem Inflationsziel annähern wird. Gleichzeitig ist der binnenwirtschaftliche Preisdruck weiterhin insgesamt gedämpft, und es sind bislang noch keine überzeugenden Anzeichen für einen dauerhaften Aufwärtstrend zu erkennen. Es bedarf daher nach wie vor umfangreicher geldpolitischer Impulse, damit sich weiterhin Druck auf die zugrunde liegende Inflation aufbaut und die Entwicklung der Gesamtinflation auf mittlere Sicht gestützt wird. Diese anhaltende Unterstützung durch die Geldpolitik erfolgt über den zusätzlichen Nettoerwerb von Vermögenswerten, den wir auf unserer geldpolitischen Sitzung vom Oktober beschlossen hatten, den beträchtlichen Bestand an erworbenen Vermögenswerten und die bevorstehenden Reinvestitionen sowie unsere Forward Guidance im Hinblick auf die Zinssätze.

Gestatten Sie mir nun, unsere Einschätzung näher zu erläutern und dabei mit der wirtschaftlichen Analyse zu beginnen. Der Konjunkturaufschwung im Euro-Währungsgebiet setzte sich im dritten Quartal 2017 fort. Das reale BIP legte um 0,6 % gegenüber dem Vorquartal zu, verglichen mit 0,7 % im zweiten Quartal. Die neuesten Daten und Umfrageergebnisse deuten auf eine solide und breit angelegte Dynamik hin. Unsere geldpolitischen Maßnahmen, die den Prozess des Verschuldungsabbaus erleichtert haben, stützen weiterhin die Binnennachfrage. Die privaten Konsumausgaben werden durch den anhaltenden Beschäftigungszuwachs, der auch durch vorangegangene Arbeitsmarktreformen begünstigt wird, und durch die Zunahme des Vermögens der privaten Haushalte getragen. Bei den Unternehmensinvestitionen ist angesichts äußerst günstiger Finanzierungsbedingungen, einer besseren Ertragslage der Unternehmen und Steigerungen der Nachfrage ein erneuter Anstieg zu verzeichnen. Auch die Wohnungsbauinvestitionen legten in den vergangenen Quartalen weiter zu. Darüber hinaus profitieren die Ausfuhren des Euroraums von der breit angelegten weltwirtschaftlichen Expansion.

Diese Einschätzung deckt sich weitgehend mit den von Experten des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Euro-Währungsgebiet vom Dezember 2017. Das jährliche reale BIP wird den Projektionen zufolge 2017 um 2,4 %, 2018 um 2,3 %, 2019 um 1,9 % und 2020 um 1,7 % steigen. Verglichen mit den von Experten der EZB erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen vom September 2017 wurde der Ausblick für das Wachstum des realen BIP deutlich nach oben korrigiert.

Die Risiken für die Wachstumsaussichten des Eurogebiets bleiben weitgehend ausgewogen. Einerseits könnte die kräftige Konjunkturdynamik, gestützt von der anhaltend positiven Entwicklung der Stimmungsindikatoren, auf kurze Sicht zu weiteren positiven Überraschungen beim Wachstum führen. Andererseits bestehen vor allem im Zusammenhang mit globalen Faktoren und der Entwicklung an den Devisenmärkten nach wie vor Abwärtsrisiken.

Die am HVPI gemessene jährliche Teuerungsrate für das Euro-Währungsgebiet belief sich der Vorausschätzung von Eurostat zufolge im November auf 1,5 % nach 1,4 % im Oktober. Zugleich haben sich die Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation in der jüngeren Vergangenheit etwas abgeschwächt, was teilweise durch Sonderfaktoren bedingt ist. Ausgehend von den aktuellen Terminpreisen für Öl dürften die Vorjahrsraten der Gesamtinflation in den kommenden Monaten vor allem aufgrund von Basiseffekten bei den Energiepreisen zurückgehen, bevor sie im weiteren Verlauf wieder ansteigen. Die zugrunde liegende Inflation dürfte, getragen von unseren geldpolitischen Maßnahmen, dem anhaltenden Konjunkturaufschwung, der damit verbundenen Absorption der wirtschaftlichen Unterauslastung und steigenden Löhnen, mittelfristig allmählich zunehmen.

Diese Einschätzung deckt sich auch weitgehend mit den von Experten des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Euro-Währungsgebiet vom Dezember 2017. Den dort enthaltenen Berechnungen zufolge wird sich die jährliche HVPI-Inflation 2017 auf 1,5 %, 2018 auf 1,4 %, 2019 auf 1,5 % und 2020 auf 1,7 % belaufen. Gegenüber den von Experten der EZB erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen vom September 2017 wurden die Aussichten für die HVPI-Gesamtinflation nach oben korrigiert, was in erster Linie den höheren Öl- und Nahrungsmittelpreisen geschuldet ist.

Was die monetäre Analyse betrifft, so setzt sich das robuste Wachstum der weit gefassten Geldmenge (M3) fort; die Jahreswachstumsrate lag im Oktober 2017 bei 5,0 % nach 5,2 % im September. Grund hierfür sind die Auswirkungen der geldpolitischen Maßnahmen der EZB und die geringen Opportunitätskosten für das Halten liquider Einlagen. Dementsprechend hatte das eng gefasste Geldmengenaggregat M1 mit einer Jahreswachstumsrate von 9,4 % im Oktober nach 9,8 % im September erneut den größten Anteil am Zuwachs der weit gefassten Geldmenge.

Die seit Anfang 2014 verzeichnete Erholung der Kreditvergabe an den privaten Sektor setzt sich fort. Die jährliche Wachstumsrate der Buchkredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften erhöhte sich im Oktober 2017 auf 2,9 %, nachdem sie im September 2,4 % betragen hatte, während die Jahreswachstumsrate der Buchkredite an private Haushalte mit 2,7 % stabil blieb.

Die seit Juni 2014 ergriffenen geldpolitischen Maßnahmen wirken sich nach wie vor deutlich positiv auf die Kreditbedingungen für Unternehmen und private Haushalte, auf den Zugang insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln und auf die Kreditströme im gesamten Euroraum aus.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Gegenprüfung der Ergebnisse der wirtschaftlichen Analyse anhand der Signale aus der monetären Analyse die Notwendigkeit einer umfangreichen geldpolitischen Akkommodierung bestätigte, um eine nachhaltige Rückkehr der Inflationsraten auf ein Niveau von unter, aber nahe 2 % sicherzustellen.

Andere Politikbereiche müssen entschlossen dazu beitragen, das längerfristige Wachstumspotenzial zu stärken und Schwachstellen abzubauen, damit unsere geldpolitischen Maßnahmen ihre volle Wirkung entfalten können. Die Umsetzung von Strukturreformen muss in allen Euro-Ländern deutlich intensiviert werden, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, die strukturelle Arbeitslosigkeit zu verringern und die Produktivität und das Wachstumspotenzial im Euroraum zu steigern. Was die Finanzpolitik betrifft, so liefert das zunehmend solide und breit angelegte Wirtschaftswachstum ein weiteres Argument für eine erneute Aufstockung der Finanzpolster. Besonders wichtig ist dies in Ländern mit hohen öffentlichen Schuldenständen. Alle Länder würden von einer Verstärkung der Anstrengungen im Hinblick auf eine wachstumsfreundlichere Ausgestaltung der öffentlichen Finanzen profitieren. Eine im Zeitverlauf und länderübergreifend vollständige, transparente und einheitliche Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht bleibt für eine widerstandsfähigere Wirtschaft im Eurogebiet unerlässlich. Die Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion hat weiterhin Priorität. Der EZB-Rat begrüßt die aktuelle Diskussion über die Vollendung von Bankenunion und Kapitalmarktunion sowie über eine weitere Verbesserung der institutionellen Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion.

Wir sind nun gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten.

Der Wortlaut, auf den sich der EZB-Rat verständigt hat, ist der englischen Originalfassung zu entnehmen.

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