Suchoptionen
Startseite Medien Wissenswertes Forschung und Publikationen Statistiken Geldpolitik Der Euro Zahlungsverkehr und Märkte Karriere
Vorschläge
Sortieren nach
  • EINLEITENDE BEMERKUNGEN

PRESSEKONFERENZ

Mario Draghi, Präsident der EZB,
Luis de Guindos, Vizepräsident der EZB,
Frankfurt am Main, 26. Juli 2018

Sehr geehrte Damen und Herren, der Vizepräsident und ich freuen uns sehr, Sie zu unserer Pressekonferenz begrüßen zu dürfen. Wir werden Sie nun über die Ergebnisse der heutigen Sitzung des EZB-Rats informieren.

Auf Grundlage unserer regelmäßigen wirtschaftlichen und monetären Analyse haben wir beschlossen, die EZB-Leitzinsen unverändert zu belassen. Wir gehen weiterhin davon aus, dass sie mindestens über den Sommer 2019 und in jedem Fall so lange wie erforderlich auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden, um eine fortgesetzte nachhaltige Annäherung der Inflation an ein Niveau von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht sicherzustellen.

Was die geldpolitischen Sondermaßnahmen betrifft, so werden wir den Nettoerwerb im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme – APP) im derzeitigen Umfang von monatlich 30 Mrd € bis Ende September 2018 fortsetzen. Sofern die neu verfügbaren Daten unsere mittelfristigen Inflationsaussichten bestätigen, gehen wir davon aus, dass wir nach September 2018 den Nettoerwerb von Vermögenswerten bis Ende Dezember 2018 auf einen Umfang von monatlich 15 Mrd € reduzieren und dann beenden werden. Wir beabsichtigen, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere nach Abschluss des Nettoerwerbs von Vermögenswerten für längere Zeit und in jedem Fall so lange wie erforderlich bei Fälligkeit wieder anzulegen, um günstige Liquiditätsbedingungen und eine umfangreiche geldpolitische Akkommodierung aufrechtzuerhalten.

Zwar spielen Unsicherheiten – insbesondere im Zusammenhang mit dem Umfeld des Welthandels – nach wie vor eine wichtige Rolle, doch deuten die seit unserer letzten geldpolitischen Sitzung verfügbar gewordenen Daten darauf hin, dass die Wirtschaft des Eurogebiets weiterhin ein solides und breit angelegtes Wachstum aufweist. Die zugrunde liegende Stärke der Wirtschaft bestärkt uns in dem Vertrauen darauf, dass sich die nachhaltige Annäherung der Inflation an unser Ziel in nächster Zeit fortsetzen und dass sie auch nach einer allmählichen Reduzierung unseres Nettoerwerbs von Vermögenswerten bestehen bleiben wird. Gleichwohl bedarf es noch erheblicher geldpolitischer Impulse, um den weiteren Aufbau eines binnenwirtschaftlichen Preisdrucks und die Entwicklung der Gesamtinflation auf mittlere Sicht zu stützen. Diese Unterstützung erfolgt weiterhin über den Nettoerwerb von Vermögenswerten bis zum Jahresende, den beträchtlichen Bestand an erworbenen Vermögenswerten und die damit verbundenen Reinvestitionen sowie unsere erweiterte Forward Guidance im Hinblick auf die EZB-Leitzinsen. In jedem Fall ist der EZB-Rat bereit, alle seine Instrumente gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Teuerungsrate weiterhin auf nachhaltige Weise dem vom EZB-Rat gesetzten Inflationsziel nähert.

Gestatten Sie mir nun, unsere Einschätzung näher zu erläutern und dabei mit der wirtschaftlichen Analyse zu beginnen. Das vierteljährliche Wachstum des realen BIP schwächte sich im ersten Jahresviertel 2018 auf 0,4 % ab, nachdem es in den drei vorangegangenen Quartalen bei 0,7 % gelegen hatte. Diese Abschwächung ist auf einen Rückgang gegenüber dem sehr kräftigen Wachstum im Jahr 2017 zurückzuführen und hängt in erster Linie mit schwächeren Wachstumsimpulsen des zuvor sehr kräftigen Außenhandels zusammen. Hinzu kommen die gestiegene Unsicherheit sowie einige vorübergehende und angebotsseitige Faktoren sowohl im Euroraum als auch weltweit. Die aktuellen Konjunkturindikatoren und Umfrageergebnisse haben sich stabilisiert und deuten, im Einklang mit den gesamtwirtschaftlichen Projektionen der Experten des Eurosystems für das Eurogebiet vom Juni 2018, nach wie vor auf ein solides und breit angelegtes Wirtschaftswachstum hin. Unsere geldpolitischen Maßnahmen, die den Prozess des Verschuldungsabbaus erleichtert haben, stützen weiterhin die Binnennachfrage. Die privaten Konsumausgaben werden vom anhaltenden Beschäftigungszuwachs, der wiederum zum Teil vorangegangenen Arbeitsmarktreformen geschuldet ist, sowie vom steigenden Vermögen der privaten Haushalte getragen. Die Unternehmensinvestitionen werden durch günstige Finanzierungsbedingungen, eine bessere Ertragslage der Unternehmen und eine solide Nachfrage gestützt. Die Wohnungsbauinvestitionen sind weiterhin robust. Darüber hinaus dürfte sich die breit angelegte Expansion der weltweiten Nachfrage fortsetzen und den Ausfuhren des Euroraums Auftrieb verleihen.

Die Risiken für die Wachstumsaussichten des Eurogebiets können noch immer als weitgehend ausgewogen erachtet werden. Unsicherheiten im Zusammenhang mit globalen Faktoren, vor allem die Gefahr von Protektionismus, spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Zudem muss das Risiko einer anhaltend erhöhten Finanzmarktvolatilität weiterhin beobachtet werden.

Die am HVPI gemessene jährliche Teuerung im Eurogebiet stieg im Juni 2018 auf 2,0 % nach 1,9 % im Vormonat, was in erster Linie einem stärkeren Preisauftrieb bei Energie und Nahrungsmitteln geschuldet war. Ausgehend von den aktuellen Terminpreisen für Öl dürften sich die Jahreswachstumsraten der Gesamtinflation im restlichen Jahresverlauf um die derzeitige Marke bewegen. Zwar entwickeln sich die Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation insgesamt verhalten, sie haben jedoch gegenüber den früheren Tiefständen zugelegt. Vor dem Hintergrund einer hohen Kapazitätsauslastung und einer zunehmend angespannten Lage an den Arbeitsmärkten erhöht sich der binnenwirtschaftliche Kostendruck. Die Unsicherheit im Hinblick auf die Inflationsaussichten nimmt ab. Gegen Ende des Jahres dürfte die zugrunde liegende Inflation, getragen von unseren geldpolitischen Maßnahmen, dem anhaltenden Konjunkturaufschwung, der damit verbundenen Absorption der wirtschaftlichen Unterauslastung und einem höheren Lohnwachstum, anziehen und anschließend auf mittlere Sicht allmählich zunehmen.

Was die monetäre Analyse betrifft, so erhöhte sich das Wachstum der weit gefassten Geldmenge (M3) von 4,0 % im Mai auf 4,4 % im Juni 2018. Das Wachstum von M3 profitiert weiterhin von der Wirkung der geldpolitischen Maßnahmen der EZB sowie den niedrigen Opportunitätskosten für das Halten der liquidesten Einlagen. Das eng gefasste Geldmengenaggregat M1 hatte nach wie vor den größten Anteil am Wachstum der weit gefassten Geldmenge.

Die seit Anfang 2014 verzeichnete Erholung der Kreditvergabe an den privaten Sektor setzt sich fort. Die jährliche Wachstumsrate der Buchkredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften stieg auf 4,1 % im Juni 2018, nachdem sie sich im Vormonat auf 3,7 % belaufen hatte. Die Jahreswachstumsrate der Buchkredite an private Haushalte blieb hingegen mit 2,9 % unverändert. Die Umfrage zum Kreditgeschäft im Euroraum für das zweite Quartal 2018 deutet darauf hin, dass das Kreditwachstum weiterhin von einer Lockerung der Kreditvergaberichtlinien und einer steigenden Nachfrage in sämtlichen Kreditkategorien getragen wird.

Die Transmission der seit Juni 2014 ergriffenen geldpolitischen Maßnahmen wirkt sich nach wie vor deutlich positiv auf die Kreditbedingungen für Unternehmen und private Haushalte, auf den Zugang insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln sowie auf die Kreditströme im gesamten Eurogebiet aus.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Gegenprüfung der Ergebnisse der wirtschaftlichen Analyse anhand der Signale aus der monetären Analyse bestätigte, dass für eine fortgesetzte nachhaltige Annäherung der Inflation an ein Niveau von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht weiterhin eine umfangreiche geldpolitische Akkommodierung erforderlich ist.

Andere Politikbereiche müssen entschlossener dazu beitragen, das längerfristige Wachstumspotenzial zu steigern und Schwachstellen abzubauen, damit unsere geldpolitischen Maßnahmen ihre volle Wirkung entfalten können. Die Umsetzung von Strukturreformen muss in den Euro-Ländern deutlich intensiviert werden, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, die strukturelle Arbeitslosigkeit zu verringern und die Produktivität sowie das Wachstumspotenzial im Euroraum zu steigern. Was die Finanzpolitik betrifft, so ist angesichts des anhaltend breit angelegten Wirtschaftswachstums eine erneute Aufstockung der Finanzpolster angezeigt. Besonders wichtig ist dies in Ländern mit nach wie vor hohen öffentlichen Schuldenständen. Alle Länder würden von einer Verstärkung der Anstrengungen im Hinblick auf eine wachstumsfreundlichere Ausgestaltung der öffentlichen Finanzen profitieren. Eine im Zeitverlauf und länderübergreifend vollständige, transparente und einheitliche Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht bleibt für eine widerstandsfähigere Wirtschaft im Eurogebiet unerlässlich. Die Verbesserung der Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion hat weiterhin Priorität. Der EZB-Rat drängt auf spezifische und entschlossene Schritte zur Vollendung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion.

Wir sind nun gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten.

Der Wortlaut, auf den sich der EZB-Rat verständigt hat, ist der englischen Originalfassung zu entnehmen.

KONTAKT

Europäische Zentralbank

Generaldirektion Kommunikation

Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.

Ansprechpartner für Medienvertreter