1 Überblick
Die aktuellen Daten legen eine Eintrübung der Wachstumsaussichten im Euroraum nahe, doch bleibt eine konsumgetragene Erholung als Hauptszenario bestehen. Dank einer belebenden Wirkung des Außenbeitrags zog das Wachstum in der ersten Jahreshälfte 2024 an. Die jüngsten Indikatoren lassen darauf schließen, dass das Wachstum auf kurze Sicht anhält. Die Wachstumsraten dürften jedoch geringer ausfallen, als in den Projektionen von Fachleuten des Eurosystems im Juni 2024 erwartet. Das real verfügbare Einkommen wird – gestützt durch ein robustes Lohnwachstum – voraussichtlich weiter steigen. Dies würde in Verbindung mit einem allmählich zunehmenden Vertrauen eine konsumgetriebene Erholung unterstützen. Allerdings fallen die vom Konsum ausgehenden Impulse etwas schwächer aus, als in den Projektionen vom Juni vorhergesehen. Aktuelle Daten und Umfrageergebnisse aus jüngerer Zeit lassen ein weiterhin verhaltenes Verbrauchervertrauen und erhöhte Sparabsichten bei den privaten Haushalten erkennen. Auch neuere Daten zu den Unternehmensinvestitionen deuten auf eine schwächere Wachstumsdynamik hin. Dennoch wird die Binnennachfrage von der nachlassenden Wirkung der zurückliegenden geldpolitischen Straffung und einer erwarteten anhaltenden Lockerung der Finanzierungsbedingungen profitieren. Letztere steht in Einklang mit den Markterwartungen zur künftigen Zinsentwicklung. Zusätzlich werden die Exportaussichten des Euroraums durch einen projizierten Anstieg der Auslandsnachfrage gestärkt. Der Arbeitsmarkt wird als weiterhin robust betrachtet. Die Arbeitslosenquote wird den Erwartungen zufolge auf historischen Tiefständen verharren. Mit dem Abklingen einiger konjunktureller Faktoren, die das Produktivitätswachstum zuletzt gebremst haben, ist im Laufe des Projektionszeitraums eine Beschleunigung des Produktivitätswachstums zu erwarten. Insgesamt gesehen dürfte die durchschnittliche Jahreswachstumsrate des realen BIP im Jahr 2024 bei 0,8 % liegen und in den Jahren 2025 und 2026 auf 1,3 % bzw. 1,5 % steigen. Die Aussichten für das BIP-Wachstum wurden gegenüber den Projektionen vom Juni für jedes Jahr des Projektionszeitraums geringfügig nach unten korrigiert.[1]
Die Gesamtinflation, die sich in jüngerer Zeit abgeschwächt hat, wird den Projektionen zufolge im letzten Quartal des laufenden Jahres etwas ansteigen und anschließend wieder zurückgehen, sodass sie Ende 2025 das Inflationsziel erreicht. Der auf kurze Sicht erwartete Anstieg spiegelt in erster Linie Basiseffekte bei den Energiepreisen wider. Angesichts der Markterwartungen zur künftigen Entwicklung der Energierohstoff- und Energiegroßhandelspreise und der geplanten finanzpolitischen Klimaschutzmaßnahmen sollte sich der Preisauftrieb bei Energie auf mittlere Sicht bei im niedrigen positiven Bereich einpendeln. In den vergangenen Quartalen verringerte sich die Inflationsrate für Nahrungsmittel deutlich, da der Preisdruck auf den vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette aufgrund niedrigerer Preise für Energie und Nahrungsmittelrohstoffe nachgelassen hat. Die Inflationsrate für Nahrungsmittel dürfte sich weitgehend seitwärts entwickeln, bevor Ende 2025 eine weitere Abschwächung einsetzt. Die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel (HVPIX) dürfte über fast den gesamten Projektionszeitraum hinweg oberhalb der Gesamtinflation verharren, jedoch weiterhin dem disinflationären Pfad folgen. Der Preisauftrieb bei den Dienstleistungen hielt sich in den letzten Monaten hartnäckig auf hohem Niveau. Allerdings wird nach wie vor erwartet, dass im Laufe des Projektionszeitraums ein allmählicher Rückgang stattfindet, da das Lohnwachstum und der sonstige Kostendruck nachlassen und die verzögerte Wirkung der zurückliegenden geldpolitischen Straffung weiterhin auf die Verbraucherpreise durchschlägt. Beim nominalen Lohnwachstum, das ein erhöhtes Niveau aufwies, setzte in den letzten Quartalen ein Rückgang ein, der stärker ausfiel als zuvor projiziert. Für die kommenden Jahre wird eine weitere allmähliche Verlangsamung des Lohnwachstums erwartet. Denn der Aufwärtsdruck, der vor dem Hintergrund einer angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt vom Inflationsausgleich ausgeht, schwächt sich ab. Die Erholung des Produktivitätswachstums dürfte zur Verringerung des Arbeitskostendrucks beitragen. Darüber hinaus ist das Gewinnwachstum merklich zurückgegangen, sodass das Durchwirken der Arbeitskosten auf die Preise insbesondere auf kurze Sicht teilweise abgefedert wird. Die jährliche HVPI-Gesamtinflation dürfte von durchschnittlich 5,4 % (2023) auf 2,5 % (2024), 2,2 % (2025) bzw. 1,9 % (2026) zurückgehen. Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni 2024 sind die Aussichten für die Teuerung nach dem HVPI unverändert geblieben. Die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel fiel in den letzten Monaten etwas höher aus als erwartet, sodass die Zahlen für 2024 und 2025 geringfügig nach oben korrigiert wurden.
Tabelle 1
Projektionen für das Wachstum und die Inflation im Euroraum
(Veränderung gegenüber Vorjahr in %, Korrekturen in Prozentpunkten)
September 2024 | Korrekturen gegenüber Juni 2024 | ||||||||
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2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | ||
Reales BIP | 0,5 | 0,8 | 1,3 | 1,5 | -0,1 | -0,1 | -0,1 | -0,1 | |
HVPI | 5,4 | 2,5 | 2,2 | 1,9 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | |
HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel | 4,9 | 2,9 | 2,3 | 2,0 | 0,0 | 0,1 | 0,1 | 0,0 |
Anmerkung: Die Zahlen für das reale BIP beziehen sich auf die Jahresdurchschnittswerte der saison- und arbeitstäglich bereinigten Daten. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die Korrekturen wurden auf Basis gerundeter Zahlen berechnet. Die Daten, darunter auch vierteljährliche Daten, können über die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB heruntergeladen werden.
2 Das außenwirtschaftliche Umfeld
Die kurzfristige globale Wachstumsdynamik bleibt insgesamt positiv, doch ist das Wachstum verstärktem Gegenwind ausgesetzt.[2] Das globale Wachstum (ohne Euroraum) war im zweiten Quartal des laufenden Jahres etwas niedriger als im ersten, es steht aber weitgehend im Einklang mit den Projektionen vom Juni 2024. Während das Wachstum den Projektionen zufolge im dritten Quartal stabil bleiben wird, deuten die aktuellen Daten darauf hin, dass sich der Konjunkturzyklus im verarbeitenden Gewerbe vor dem Hintergrund einer nach wie vor restriktiven Geldpolitik verlangsamt. Zugleich lassen Umfragen auf ein stetiges Wachstum im Dienstleistungssektor weltweit schließen. Diese Signale deuten zusammen mit den erhöhten geopolitischen Spannungen und der jüngsten Volatilität an den Finanzmärkten darauf hin, dass das Wachstum verstärktem Gegenwind ausgesetzt ist.
Auf mittlere Sicht wird das globale Wachstum den Projektionen zufolge in moderatem Tempo zunehmen. Es bleibt gegenüber den Projektionen vom Juni weitgehend unverändert. Nach einem Anstieg um 3,5 % im Jahr 2023 dürfte das globale reale BIP 2024 und 2025 um jeweils 3,4 % und 2026 um 3,3 % wachsen. Gegenüber den Projektionen vom Juni wurden die Zahlen für alle drei Jahre leicht nach oben korrigiert (Tabelle 2). Darin spiegeln sich ein etwas stärkeres Wachstum in wichtigen Schwellenländern wie China und Russland im Jahr 2024 sowie ein höheres Wachstum in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich in den Jahren 2025 und 2026 wider. Das kräftigere Wachstum der US-Wirtschaft hängt mit zwei Faktoren zusammen: den positiven Auswirkungen der Nettozuwanderung, die stärker ausfallen dürfte als zuvor angenommen, sowie den Zusagen beider Präsidentschaftskandidaten, die 2017 erlassenen Steuersenkungen für Haushalte mit niedrigerem Einkommen zu verlängern. Die Auswirkungen dieser Faktoren wurden im Basisszenario vom Juni nicht berücksichtigt. Die aktuellen Basisprojektionen für die US-Wirtschaft gehen weiterhin von einer sanften Landung aus. Dies wird durch eine allmähliche Abkühlung am Arbeitsmarkt und einen nach wie vor soliden privaten Konsum untermauert. Das etwas höhere Wirtschaftswachstum im Vereinigten Königreich spiegelt einen unerwartet kräftigen Anstieg im zweiten Quartal 2024 wider, sowie einen positiveren Einfluss der Reallöhne auf die privaten Konsumausgaben über den verbleibenden Projektionszeitraum hinweg.
Tabelle 2
Das außenwirtschaftliche Umfeld
(Veränderung gegenüber Vorjahr in %, Korrekturen in Prozentpunkten)
| September 2024 | Korrekturen gegenüber Juni 2024 | |||||||
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2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | ||
Weltweites reales BIP (ohne Euroraum) | 3,5 | 3,4 | 3,4 | 3,3 | 0,0 | 0,1 | 0,1 | 0,1 | |
Welthandel (ohne Euroraum)1) | 1,0 | 3,1 | 3,4 | 3,3 | 0,0 | 0,5 | 0,1 | 0,0 | |
Auslandsnachfrage nach Produkten des Euroraums2) | 0,6 | 2,5 | 3,4 | 3,3 | -0,2 | 0,4 | 0,0 | 0,0 | |
Weltweiter VPI (ohne Euroraum) | 5,0 | 4,2 | 3,3 | 2,8 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | -0,1 | |
Exportpreise der Wettbewerber in Landeswährung3) | -1,2 | 2,4 | 2,2 | 2,4 | 0,1 | 0,3 | -0,6 | -0,2 |
Anmerkung: Die Korrekturen wurden auf Basis gerundeter Zahlen berechnet.
1) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Importe.
2) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Importe von Handelspartnern des Euroraums.
3) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Exportdeflatoren von Handelspartnern des Euroraums.
Der internationale Handel dürfte sich 2024 erholen und über den verbleibenden Projektionszeitraum hinweg in einem engeren Gleichlauf mit der weltwirtschaftlichen Entwicklung zunehmen. Nach einer Phase mit schwacher Wachstumsdynamik erholte sich der Welthandel zum Jahreswechsel. Im zweiten Quartal trugen vorgezogene Importe der fortgeschrittenen Volkswirtschaften zu dieser Erholung bei. Die monatlichen Handelsdaten deuten darauf hin, dass die Unternehmen in diesem Jahr ihre Lagerbestände für das Weihnachtsgeschäft rund sechs Wochen früher aufstockten als üblich. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Risiken erneute Lieferengpässe und Handelsspannungen befürchtet werden. Die Daten zum Welthandel sind nach wie vor grundsätzlich volatil. Zudem dürfte sich ein solch kräftiges Wachstum auf kurze Sicht nicht fortsetzen, da die Auswirkungen der vorgezogenen Importe nachlassen.[3] Die Auslandsnachfrage nach Produkten des Euroraums wird sich den Projektionen zufolge 2024 um 2,5 %, 2025 um 3,4 % und 2026 um 3,3 % erhöhen. Ihr Wachstum wurde für das laufende Jahr aufgrund der zurückliegenden höheren Ergebnisse nach oben korrigiert, während es über den restlichen Projektionszeitraum hinweg ähnlich bleibt wie in den Juni-Projektionen.
Die globale Inflation wird den Projektionen zufolge zurückgehen, während das Wachstum der Exportpreise der Wettbewerber des Euroraums über den Projektionszeitraum hinweg stabil bleiben dürfte. Die am globalen Verbraucherpreisindex (VPI) gemessene Gesamtinflation dürfte von 4,2 % im Jahr 2024 auf 3,3 % im Jahr 2025 und 2,8 % im Jahr 2026 zurückgehen. Gründe hierfür sind die restriktive Geldpolitik in wichtigen Volkswirtschaften und die nachlassenden Auswirkungen vergangener Angebotsschocks. Verglichen mit den Projektionen vom Juni hat sich das globale Inflationsprofil kaum verändert. Das Wachstum der Exportpreise der Wettbewerber des Euroraums (in Landeswährung und auf Jahresbasis) hat sich 2024 ins Positive gekehrt, da die Auswirkungen früherer Rückgänge der Rohstoffpreise und des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen im In- und Ausland nachgelassen haben. Dies bedeutet, dass das Wachstum der Exportpreise der Wettbewerber über den Projektionszeitraum hinweg stabil bleiben und weitgehend dem historischen Durchschnitt entsprechen dürfte. Eine Abwärtskorrektur gegenüber den Projektionen vom Juni für die Jahre 2025 und 2026 ist darauf zurückzuführen, dass ein etwas stärkerer Rückgang der Exportpreise in bestimmten großen Volkswirtschaften wie dem Vereinigten Königreich erwartet wird.
Kasten 1
Technische Annahmen
Die wichtigsten Änderungen der technischen Annahmen im Vergleich zu den Projektionen vom Juni 2024 sind niedrigere Rohstoffpreise (wobei einige Energiepreise höher sind), ein stärkerer Euro und etwas niedrigere Zinssätze. Die Annahmen zu den Ölpreisen, die auf den Preisen für Terminkontrakte beruhen, wurden über den Zeithorizont hinweg um rund 2 % nach unten korrigiert. Sie sind weiterhin nach unten gerichtet („Backwardation“), und die Preise sinken von 2024 bis 2026 voraussichtlich um rund 12 %. Im Gegensatz dazu haben Bedenken hinsichtlich der geopolitischen Risiken im Zusammenhang mit den Spannungen im Nahen Osten und dem kürzlichen Vorstoß der Ukraine auf russisches Hoheitsgebiet zu höheren Annahmen für die Großhandelspreise für Erdgas geführt (um 17 % über den Projektionszeitraum hinweg). Auch die Annahmen bezüglich der Großhandelspreise für Strom wurden vor allem gegen Ende des Projektionszeitraums nach oben korrigiert. Es wird angenommen, dass der Euro leicht aufwertet (um 1,7 % gegenüber dem US-Dollar – was in erster Linie die Erwartung erheblicher Zinssenkungen durch das Federal Reserve System widerspiegelt – und um 0,7 % in nominaler effektiver Rechnung). Die Markterwartungen hinsichtlich der kurzfristigen Zinssätze wurden für 2025 und 2026 um rund 30 Basispunkte nach unten korrigiert. Die Markterwartungen bezüglich der Renditen langfristiger Anleihen wurden ebenfalls nach unten korrigiert, wenn auch in geringerem Umfang.
Tabelle
| September 2024 | Korrekturen gegenüber Juni 2024 | ||||||
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2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | |
Rohstoffe: |
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Ölpreis (in USD/Barrel) | 83,7 | 83,2 | 76,1 | 73,2 | 0,0 | -0,7 | -2,4 | -1,7 |
Erdgaspreise (in EUR/MWh) | 40,6 | 34,2 | 41,1 | 35,4 | 0,0 | 11,0 | 16,0 | 18,1 |
Großhandelspreise für Strom (in EUR/MWh) | 103,5 | 77,4 | 93,3 | 82,2 | 0,0 | 6,0 | 6,4 | 13,0 |
Preise der im EU-EHS gehandelten Emissionszertifikate (in EUR/Tonne) | 83,7 | 67,5 | 73,8 | 76,4 | 0,0 | 2,2 | 3,8 | 3,8 |
Preise für Rohstoffe ohne Energie (in USD) (Veränderung gegen Vorjahr in %) | -12,5 | 7,3 | 1,3 | 2,5 | 0,0 | -4,1 | -2,6 | 1,6 |
Wechselkurse: |
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EUR/USD-Wechselkurs | 1,08 | 1,09 | 1,10 | 1,10 | 0,0 | 0,8 | 1,7 | 1,7 |
Nominaler effektiver Wechselkurs des Euro (EWK-41) (Q1 1999 = 100) | 121,8 | 124,5 | 125,1 | 125,1 | 0,0 | 0,3 | 0,7 | 0,7 |
Finanzielle Annahmen: |
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Dreimonats-EURIBOR (in % p. a.) | 3,4 | 3,6 | 2,5 | 2,2 | 0,0 | 0,0 | -0,4 | -0,3 |
Renditen zehnjähriger Staatsanleihen (in % p. a.) | 3,1 | 2,9 | 2,8 | 3,0 | 0,0 | 0,0 | -0,1 | -0,1 |
Anmerkung: Korrekturen sind bei Niveauunterschieden in Prozent, bei Wachstumsraten in Prozentpunkten und bei finanziellen Annahmen in Prozent per annum angegeben. Die Korrekturen der Wachstumsraten und Zinssätze werden anhand von auf eine Dezimalstelle gerundeten Zahlen berechnet. Die als prozentuale Veränderungen angegebenen Korrekturen werden indes auf Basis nicht gerundeter Zahlen berechnet. Die technischen Annahmen zu den Rohstoffpreisen und den Zinssätzen im Euroraum beruhen auf den Markterwartungen; Redaktionsschluss war der 16. August 2024. Als Referenz für die Ölpreise dienen die Kassa- und Terminpreise für Rohöl der Sorte Brent. Die Gaspreise basieren auf den Kassa- und Terminpreisen am Dutch TTF. Die Strompreise basieren auf dem durchschnittlichen Großhandelskassa- und -terminpreis der fünf größten Euro-Länder. Der „synthetische“ Terminpreis für Emissionszertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (EHS) wird als linear interpolierter Monatsendwert der beiden nächsten EEX EUA Futures abgeleitet. Die monatlichen EHS-Terminpreise werden dann gemittelt, um den Preis auf Jahresbasis zu bestimmen. Die Entwicklung der Rohstoffpreise wird aus den Terminmärkten in den zehn Arbeitstagen bis zum Redaktionsschluss abgeleitet. Es wird angenommen, dass die bilateralen Wechselkurse über den Projektionszeitraum hinweg unverändert auf dem durchschnittlichen Niveau bleiben, das an den zehn Arbeitstagen bis zum Redaktionsschluss verzeichnet worden war. Die Annahmen zu den nominalen Renditen zehnjähriger Staatsanleihen im Euroraum beruhen auf den durchschnittlichen Renditen der zehnjährigen Anleihen der Länder, die mit den jährlichen BIP-Zahlen gewichtet werden. Soweit die erforderlichen Daten vorliegen, werden die länderspezifischen nominalen Renditen zehnjähriger Staatsanleihen als die Rendite der zehnjährigen Benchmark-Anleihen definiert. Diese wird anhand der Pari-Terminzinsen fortgeschrieben, die zum Redaktionsschluss aus den entsprechenden länderspezifischen Zinsstrukturkurven abgeleitet werden. Für die übrigen Länder werden die länderspezifischen Renditen zehnjähriger Staatsanleihen als die Rendite der zehnjährigen Benchmark-Anleihen definiert. Diese wird anhand eines (zum Redaktionsschluss beobachteten) konstanten Spreads gegenüber der technischen Annahme zu den risikofreien langfristigen Zinssätzen im Euroraum fortgeschrieben.
3 Realwirtschaft
Nach einem weitgehend unveränderten und schleppenden Wachstum im gesamten Jahr 2023 begann sich die Konjunktur im Euroraum in der ersten Jahreshälfte 2024 zu erholen (Abbildung 1).[4] Der Schnellschätzung von Eurostat zufolge war sowohl im ersten als auch im zweiten Quartal 2024 ein Wachstum von 0,3 % gegenüber dem Vorquartal zu verzeichnen. Allerdings wurde die Schätzung für das zweite Quartal nach Abschluss der Projektionen vom September auf 0,2 % nach unten korrigiert. Das Ergebnis für das zweite Quartal blieb hinter den Erwartungen der Projektionen vom Juni 2024 zurück. Dies war darauf zurückzuführen, dass das Wachstum der privaten Konsumausgaben und der Investitionen niedriger ausfiel als erwartet und auch die Lagerbestände geringer waren, obgleich der Außenbeitrag die Erwartungen überstieg. Nach Sektoren aufgegliedert dürfte die Wertschöpfung in der Industrie im zweiten Quartal 2024 rückläufig gewesen sein, während sie sich im Dienstleistungssektor weiter erhöhte.
Es wird davon ausgegangen, dass die Wachstumsraten des realen BIP in der zweiten Jahreshälfte 2024 auf niedrigere Werte sinken als in den Projektionen vom Juni erwartet. In diesen eingetrübten Aussichten spiegelt sich das weiterhin niedrige Niveau von Umfrageindikatoren wider, die für die Wirtschaftstätigkeit relevant sind. Hierzu zählen etwa der Einkaufsmanagerindex (EMI) sowie die Indikatoren für das Unternehmer- und das Verbrauchervertrauen aus den Umfragen der Europäischen Kommission. Im verarbeitenden Gewerbe war die Abschwächung besonders ausgeprägt, der EMI für die Produktion lag im August bei 45,8 Punkten. Dies hing in erster Linie mit einer schwachen Nachfrage zusammen, von der Deutschland am stärksten betroffen war. Gleichzeitig scheint die Aktivität im Dienstleistungssektor – die vorübergehend durch die Olympischen Spiele in Paris angekurbelt wurde – ein robustes Wachstum zu verzeichnen. Der EMI für Dienstleistungen lag im August bei 52,9 Punkten. Insgesamt gesehen dürfte das reale BIP im dritten und vierten Quartal um jeweils 0,2 % wachsen. Es bleibt damit in beiden Fällen um 0,2 Prozentpunkte hinter den Projektionen vom Juni zurück.
Auf mittlere Sicht dürfte sich die Wachstumsrate des realen BIP im Bereich des historischen Durchschnitts bewegen und durch steigende Realeinkommen, eine verstärkte Auslandsnachfrage und das Abklingen der dämpfenden Auswirkungen der Geldpolitik gestützt werden. Das anhaltende Wachstum des real verfügbaren Einkommens wird voraussichtlich den privaten Konsum fördern. Dieser dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte 2024 als wichtigste Triebfeder des Wachstums erweisen, wenn auch in geringerem Maße als in den Projektionen vom Juni vorausgesehen. Profitieren dürften die Ausgaben der privaten Haushalte auch von der robusten Arbeitsmarktlage und davon, dass – ungeachtet der derzeit hohen Sparabsichten – das Verbrauchervertrauen allmählich zu- und die Unsicherheit abnimmt. Die Unternehmensinvestitionen werden den Projektionen zufolge auf kurze Sicht niedrig bleiben, was zum Teil an der erhöhten politischen Unsicherheit liegt. Danach wird allerdings eine Erholung erwartet, sobald die anhaltende bremsende Wirkung der zurückliegenden geldpolitischen Straffung abklingt und sowohl die Inlands- als auch die Auslandsnachfrage anziehen. Durch die Auslandsnachfrage dürfte auch das Exportwachstum angekurbelt werden. Die Wohnungsbauinvestitionen werden den Erwartungen zufolge 2024 und 2025 zurückgehen. Ähnlich dem Profil in den Projektionen vom Juni werden sie anschließend jedoch wieder zunehmen. Die Normalisierung des Lagerhaltungszyklus dürfte im zweiten Halbjahr 2024 für einen mehr oder weniger neutralen Wachstumsbeitrag sorgen, nachdem dieser zum Jahreswechsel deutlich negativ ausgefallen war. Ungeachtet der voraussichtlichen Straffung des finanzpolitischen Kurses im gesamten Projektionszeitraum wird davon ausgegangen, dass die Konsumausgaben und Investitionen des Staates einen positiven Beitrag zum BIP-Wachstum leisten.
Es wird erwartet, dass die Finanzierungsbedingungen, insbesondere das hohe Zinsniveau, weiterhin deutlich negative Auswirkungen auf das Wachstum haben werden. Diese werden über den Projektionszeitraum hinweg abklingen. Die geldpolitische Straffung im Zeitraum Dezember 2021 bis September 2023 schlägt weiterhin auf die Realwirtschaft durch. Dies beeinflusst die Wachstumsaussichten, vor allem für 2024.[5] Die Leitzinssenkung im Juni 2024 und die Markterwartungen hinsichtlich der künftigen Zinsentwicklung bei Redaktionsschluss der Projektionen (Kasten 1) lassen erwarten, dass die negativen Auswirkungen der Geldpolitik auf das Wirtschaftswachstum im Laufe des Jahres 2024 allmählich nachlassen. Ausmaß und Dauer dieser negativen Auswirkungen sind zwar mit erheblicher Unsicherheit behaftet, doch dürften sie sich bis 2026 weitgehend erschöpft haben.
Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni 2024 wurde das Wachstum des realen BIP in jedem Jahr des Projektionszeitraums um 0,1 Prozentpunkte nach unten korrigiert (Tabelle 3 und Abbildung 2). Die historischen Daten des realen BIP wurden für die zweite Jahreshälfte 2023 nach oben korrigiert, was einen höheren statistischen Überhang zum Jahresbeginn 2024 bedingte. Dies wurde jedoch durch die Abwärtskorrekturen der vierteljährlichen Wachstumsraten für 2024 mehr als ausgeglichen. Auf Komponentenebene wurden die privaten Konsumausgaben und die Investitionen für 2024 nach unten korrigiert. Der Außenbeitrag wurde zwar nach oben korrigiert (hauptsächlich aufgrund der Daten), das Exportwachstum in der zweiten Jahreshälfte 2024 jedoch nach unten. Grund hierfür waren anhaltende Probleme im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit. Die Abwärtskorrektur für 2025 ist ausschließlich auf Überhangseffekte aus Korrekturen in der zweiten Jahreshälfte 2024 zurückzuführen. Die Änderung für 2026 dagegen hängt vorwiegend mit einer Abwärtskorrektur beim Wachstum der privaten Konsumausgaben zusammen, weil sich der Konsum etwas weniger erholte als vorausgesehen, und mit einer gewissen Abwärtskorrektur beim Außenbeitrag.
Abbildung 2
Wachstum des realen BIP im Euroraum – Aufgliederung in die wichtigsten Verwendungskomponenten
a) Projektionen vom September 2024 | b) Korrekturen gegenüber den Projektionen vom Juni 2024 |
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Anmerkung: Die Daten sind saison- und arbeitstäglich bereinigt. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die vertikale Linie markiert den Beginn des Projektionszeitraums. Die Korrekturen wurden auf Basis nicht gerundeter Zahlen berechnet. In gerundeter Rechnung wird das Wachstum des realen BIP in jedem Jahr des Projektionszeitraums um 0,1 Prozentpunkte nach unten korrigiert.
Tabelle 3
Projektionen für das reale BIP, den Handel und die Arbeitsmärkte
(soweit nicht anders angegeben, Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %; Korrekturen in Prozentpunkten)
| September 2024 | Korrekturen gegenüber Juni 2024 | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | |
Reales BIP | 0,5 | 0,8 | 1,3 | 1,5 | -0,1 | -0,1 | -0,1 | -0,1 |
Private Konsumausgaben | 0,7 | 0,8 | 1,4 | 1,5 | 0,1 | -0,4 | -0,3 | -0,1 |
Konsumausgaben des Staates | 1,0 | 1,2 | 1,1 | 1,1 | 0,2 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Investitionen | 1,2 | -0,5 | 1,2 | 2,1 | -0,1 | -0,6 | -0,3 | 0,1 |
Ausfuhren1) | -0,3 | 1,2 | 2,6 | 3,0 | 0,6 | -0,1 | -0,3 | -0,1 |
Einfuhren1) | -1,1 | 0,0 | 2,8 | 3,3 | 0,3 | -0,5 | -0,4 | 0,0 |
Beitrag zum BIP aus: |
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Binnennachfrage | 0,8 | 0,6 | 1,2 | 1,5 | 0,0 | -0,3 | -0,2 | 0,0 |
Außenbeitrag | 0,4 | 0,7 | 0,0 | 0,0 | 0,1 | 0,3 | 0,0 | -0,1 |
Änderungen der Lagerbestände | -0,7 | -0,4 | 0,1 | 0,0 | -0,2 | 0,1 | 0,1 | 0,0 |
Real verfügbares Einkommen | 1,1 | 2,8 | 0,8 | 0,8 | -0,1 | 0,9 | -0,3 | -0,4 |
Sparquote der privaten Haushalte | 13,4 | 14,9 | 14,5 | 14,0 | -1,1 | -0,1 | 0,0 | -0,2 |
Leistungsbilanz (% des BIP) | 1,5 | 2,6 | 2,7 | 2,7 | -0,1 | -0,2 | -0,2 | -0,2 |
Beschäftigung2) | 1,4 | 0,8 | 0,4 | 0,4 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | -0,1 |
Arbeitslosenquote | 6,5 | 6,5 | 6,5 | 6,5 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,2 |
Anmerkung: Die Zahlen für das reale BIP und seine Komponenten beziehen sich auf saison- und arbeitstäglich bereinigte Daten. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die Korrekturen wurden auf Basis gerundeter Zahlen berechnet. Die Daten, darunter auch vierteljährliche Daten, können über die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB heruntergeladen werden.
1) Die Angaben für die Ein- und Ausfuhren beinhalten auch den Handel innerhalb des Euroraums.
2) Die Angaben zur Beschäftigung beziehen sich auf die Anzahl der beschäftigten Personen.
Obgleich die privaten Konsumausgaben zuletzt eher schwach ausfielen, werden sie auf mittlere Sicht als Haupttriebfeder des Wachstums angesehen. Sie werden durch ein robustes Wachstum der Arbeitnehmerentgelte vor dem Hintergrund steigender Löhne und sinkender Inflationsraten gestützt. Das Wachstum der privaten Konsumausgaben in der ersten Jahreshälfte 2024 war enttäuschend. Zwar übertraf das Nichtarbeitseinkommen die Erwartungen, es trug jedoch dazu bei, dass die Ersparnisse stärker anstiegen als in den Projektionen vom Juni erwartet. Dennoch dürfte sich das Wachstum der Ausgaben der privaten Haushalte, das im Zeitraum 2023-2024 etwa 0,8 % betrug, im Zeitraum 2025-2026 auf etwa 1,5 % beschleunigen und damit die Durchschnittsrate von 1,2 % aus Vorpandemiezeiten deutlich übertreffen. Ausschlaggebend für diese Erholung ist ein Anstieg der real verfügbaren Einkommen. Dieser ist in erster Linie auf ein kräftiges Lohnwachstum und ein zwar etwas rückläufiges, aber stabiles Nichtarbeitseinkommen (insbesondere Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und finanziellen Vermögenswerten) zurückzuführen. Auf mittlere Sicht dürfte das Wachstum der realen Einkommen geringer ausfallen, da der Aufholprozess der Reallöhne endet. Gleichzeitig dürfte das Wachstum der privaten Konsumausgaben 2025-2026 vom erwarteten Nachlassen der Unsicherheit profitieren, sodass die Sparquote im Zuge einer allmählichen Normalisierung des Konsumverhaltens sinkt. Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni 2024 wurde das Wachstum der privaten Konsumausgaben für 2024 um 0,4 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Dynamik in den ersten beiden Quartalen geringer ausfiel als erwartet und anschließend langsamer wieder in Gang kam, was auch 2025 noch spürbar sein wird. Daraus ergibt sich für 2025 eine Abwärtskorrektur um 0,3 Prozentpunkte. Sie geht auch darauf zurück, dass das real verfügbare Einkommen etwas moderater gewachsen ist und eine langsamere Normalisierung des Konsumverhaltens der privaten Haushalte erwartet wird. Diese langsamere Normalisierung ist auch der Hauptgrund, weshalb die Erwartungen für 2026 um 0,1 Prozentpunkte nach unten korrigiert wurden. Diese Korrekturen stehen im Einklang mit den Umfrageergebnissen der Europäischen Kommission aus den letzten Quartalen. Diesen zufolge haben die Erwartungen hinsichtlich der Sparquote der Verbraucher in den nächsten zwölf Monaten kontinuierlich zugenommen.
Wohnungsbauinvestitionen werden den Projektionen zufolge im gesamten Jahr 2024 weiter abnehmen. Im Jahresverlauf 2025 dürften sie sich allmählich erholen, da die negativen Auswirkungen der restriktiveren Finanzierungsbedingungen allmählich nachlassen und die realen Einkommen der privaten Haushalte nach wie vor steigen. Der bereits seit längerem andauernde Rückgang der Wohnungsbauinvestitionen dürfte sich im zweiten Quartal fortgesetzt haben. Grund ist eine anhaltende Schwäche der Nachfrage nach Wohnimmobilien, die durch das Auslaufen eines erheblichen finanziellen Anreizes in Italien verschärft wird. Eine Erholung der Wohnungsbauinvestitionen, getragen von einem leichten Rückgang der Hypothekenzinsen und steigenden Einkommen der privaten Haushalte, wird erst für die zweite Jahreshälfte 2025 projiziert. Insgesamt gesehen wird für 2024 ein weiterer deutlicher Rückgang erwartet, sodass sich für das jährliche Wachstum 2025 ein negativer statistischer Überhang ergibt. Im Anschluss wird auf Jahresbasis 2026 ein Anstieg der Wohnungsbauinvestitionen erwartet – der erste seit 2022.
Die Unternehmensinvestitionen dürften im Projektionszeitraum in moderatem, aber zunehmendem Tempo wachsen. Hintergrund ist eine steigende Nachfrage, das Abklingen negativer Auswirkungen der Finanzierungsbedingungen und zunehmende Investitionen in den grünen und den digitalen Wandel. Obgleich davon auszugehen ist, dass die Investitionen aufgrund der erhöhten politischen Unsicherheit auf kurze Sicht etwas gedämpft werden, dürften sie entsprechend der erwarteten Belebung der Inlands- und Auslandsnachfrage und besserer Gewinnbedingungen allmählich steigen. Unterstützt wird diese Erholung 2026 durch das Nachlassen der bremsenden Wirkung der restriktiven Finanzierungsbedingungen sowie durch Crowding-in-Effekte von Investitionen in den grünen und den digitalen Wandel, die aus dem Programm Next Generation EU (NGEU) und aus privaten Mitteln gefördert werden. In diesem Zusammenhang wird sich das Wachstum der Außenfinanzierung der Unternehmen im Laufe des Projektionszeitraums allmählich beschleunigen. Ursache hierfür sind die erwartete konjunkturelle Belebung, das projizierte Sinken der Bankkreditzinsen, das Abschmelzen überschüssiger Liquidität und verbesserte Unternehmensbilanzen.
Nach einer kräftigen Erholung im ersten Quartal 2024 dürfte sich das Exportwachstum des Euroraums verlangsamen. Anschließend sollte es wieder etwas höhere Wachstumsraten erreichen, die im historischen Vergleich verhalten ausfallen. Die Erholung im ersten Quartal war weitgehend auf Dienstleistungsexporte zurückzuführen und zum Teil durch volatile Daten aus Irland bedingt. Lässt man jedoch Letztere außer Acht, so dürfte sich das Exportwachstum insgesamt im zweiten Quartal verlangsamt haben. Dies entspricht den negativen Signalen, die sich aus den jüngsten Umfrageindikatoren für den Auftragseingang im Exportgeschäft des verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors ergaben.[6] Die kurzfristigen Exportaussichten haben sich trotz der geringfügigen Aufwärtskorrektur der Auslandsnachfrage eingetrübt. Gründe sind die leichte Aufwertung des Euro und anhaltende Probleme im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit. Ein gewisser Anstieg der Gaspreise kommt erschwerend hinzu. Die Faktoren, die die Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums beeinträchtigen, z. B. der Energiepreisschock und Probleme im Zusammenhang mit der preislichen und nichtpreislichen Wettbewerbsfähigkeit, stellen nach wie vor eine Belastung für die Exporte des Euroraums dar. Aus diesem Grund ist erst Anfang 2025 mit einer allmählichen Erholung des Exportwachstums zu rechnen, wenngleich mit Wachstumsraten unterhalb des historischen Durchschnitts. Auch das Wachstum der Einfuhren dürfte auf kurze Sicht verhalten ausfallen, nachdem die Daten zu den inländischen Investitionen unerwartet ungünstig ausfielen. Ihre Wachstumsraten dürften im weiteren Verlauf etwas unter dem langfristigen Niveau liegen. Insgesamt gesehen dürfte der Außenhandel, der in der ersten Jahreshälfte 2024 positiv ausfiel, über den Projektionszeitraum hinweg einen weitgehend neutralen Wachstumsbeitrag leisten (Abbildung 2). Für 2024 wurde er aufgrund vorangegangener Datenrevisionen nach oben korrigiert, danach bleibt er jedoch weitgehend unverändert.
Der Arbeitsmarkt dürfte robust bleiben, wenngleich sich das Beschäftigungswachstum im Vergleich zu den Vorjahren wohl abschwächen wird. Im zweiten Quartal 2024 legte die Beschäftigung um 0,2 % zu und fiel damit etwas höher aus als erwartet. Sie dürfte im Verlauf des Projektionszeitraums mit einer eher verhaltenen Wachstumsrate von 0,1 % pro Quartal zunehmen. Auf Jahresbasis dürfte das Beschäftigungswachstum von 1,4 % im Jahr 2023 auf 0,8 % im Jahr 2024 zurückgehen und sich in den Jahren 2025 und 2026 bei 0,4 % stabilisieren. Dies bedeutet für 2026 eine leichte Abwärtskorrektur um 0,1 Prozentpunkte im Vergleich zu den vorherigen Projektionen. Der Verlauf der Beschäftigungskurve (Abbildung 3) spiegelt die Annahme wider, dass konjunkturelle Faktoren, die die Beschäftigung in jüngster Vergangenheit stärker als üblich gestützt haben (z. B. erheblicher Arbeitskräftemangel, starkes Gewinnwachstum, niedrige Reallöhne und ein robustes Wachstum der Erwerbsbevölkerung) allmählich abklingen werden.[7]
Das Wachstum der Arbeitsproduktivität dürfte sich über den Projektionszeitraum hinweg verstärken. Im Zuge der konjunkturellen Anpassung der Wirtschaft während des Projektionszeitraums und einer Verlangsamung des zuvor starken Beschäftigungswachstums dürfte die Produktivität einen Schub erfahren. Allerdings fiel das Produktivitätswachstum (je Beschäftigten) im zweiten Quartal 2024 niedriger aus als erwartet. Für die zweite Jahreshälfte 2024 wurde es nach unten korrigiert, da eine langsamere Belebung der Konjunktur erwartet wird als in den vorangegangenen Projektionen. Das Produktivitätswachstum stellt sich mit 0,9 % im Jahr 2025 und 1,1 % im Jahr 2026 relativ stark dar. Dies ist nahezu doppelt so hoch wie der historische Durchschnitt von 0,6 % pro Jahr im Zeitraum 2000-2019. Es ist jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass das durchschnittliche jährliche Produktivitätswachstum von 2020 bis 2023 bei 0,3 % stagnierte. Damit bleibt das tatsächliche Produktivitätsniveau deutlich unterhalb der Trendschätzungen (Abbildung 4). Die konjunkturellen Faktoren, die in der jüngsten Vergangenheit das Beschäftigungswachstum gestützt haben, werden den Projektionen zufolge allmählich nachlassen. In der Folge wird eine konjunkturelle Erholung des Produktivitätswachstums einsetzen. Dennoch könnte das Tempo des Produktivitätswachstums 2025 und 2026 durch strukturelle Faktoren begrenzt werden. Hierzu gehören die allgemeine Verlagerung der Wirtschaftstätigkeit zugunsten des Dienstleistungssektors, die Kosten des grünen Wandels, länger anhaltende nachteilige Auswirkungen des Energiepreisschocks, eine langsamere Einführung hochinnovativer KI-Technologien als erwartet und der demografische Wandel, der mit der Alterung der Bevölkerung und dem Ausscheiden einiger Baby-Boom-Jahrgänge aus dem Erwerbsleben einhergeht.
Die Arbeitslosenquote dürfte relativ stabil bleiben (Abbildung 5). Den Annahmen zufolge wird sie in jedem Jahr des Projektionszeitraums durchschnittlich 6,5 % betragen. Die Entwicklung der Arbeitslosenquote ist seit den Projektionen vom Juni weitgehend unverändert geblieben, wurde jedoch für 2026 leicht um 0,2 %Prozentpunkte nach oben korrigiert. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass in jenem Jahr die Beschäftigung weniger stark wachsen und die Wachstumsaussichten etwas schwächer ausfallen werden.
4 Haushaltsaussichten
Der finanzpolitische Kurs im Euroraum dürfte über den Projektionszeitraum hinweg gestrafft werden, insbesondere im Jahr 2024. Diese Straffung fällt aber weniger stark aus als in den Projektionen vom Juni 2024 (siehe Tabelle 4). Nach einer leichten Aufwärtskorrektur für 2023 dürfte der finanzpolitische Kurs 2024 eine erhebliche Straffung erfahren, vor allem aufgrund der Rücknahme eines Großteils der energie- und inflationsbezogenen Stützungsmaßnahmen. Der finanzpolitische Kurs wird den Projektionen zufolge auch 2025 und 2026 weiter gestrafft werden, wenn auch weitaus langsamer. Gründe hierfür sind der weitere Abbau der verbleibenden energiebezogenen Stützungsmaßnahmen, Erhöhungen der direkten Steuern und der Sozialbeiträge sowie ein langsameres Wachstum der Transferleistungen. Diese Faktoren werden teilweise durch höhere Konsumausgaben und Investitionen des Staates ausgeglichen. Der finanzpolitische Kurs und die diskretionären finanzpolitischen Maßnahmen im Euroraum werden im Zeitraum 2024-2025 weniger gestrafft als in den Projektionen vom Juni 2024 erwartet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass für einige Länder eine geringere Konsolidierung angenommen wird und in einigen anderen Ländern aufgrund der von den Regierungen gebilligten Haushaltsentwürfe für 2025 finanzpolitische Stützungsmaßnahmen verlängert und/oder eingeführt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die finanzpolitischen Annahmen noch mit erheblicher Unsicherheit behaftet, da die Haushaltspläne für 2025 in den meisten Ländern des Euroraums noch nicht veröffentlicht wurden und die Reform des wirtschaftspolitischen Steuerungsrahmens der EU noch nicht umgesetzt wurde.
Tabelle 4
Finanzpolitische Aussichten für den Euroraum
(in Prozent des BIP, Korrekturen in Prozentpunkten)
| September 2024 | Korrekturen gegenüber Juni 2024 | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | |
Finanzpolitischer Kurs1) | 0,0 | 0,5 | 0,1 | 0,3 | 0,1 | -0,2 | -0,2 | 0,0 |
Öffentlicher Finanzierungssaldo | -3,6 | -3,3 | -3,2 | -3,0 | 0,0 | -0,2 | -0,4 | -0,4 |
Struktureller Haushaltssaldo2) | -3,7 | -3,2 | -3,2 | -3,0 | -0,1 | -0,2 | -0,5 | -0,4 |
Bruttoverschuldung der öffentlichen Haushalte | 88,2 | 88,5 | 89,3 | 89,8 | -0,3 | 0,1 | 0,7 | 1,2 |
1) Die Messgröße für den finanzpolitischen Kurs ist die Veränderung des konjunkturbereinigten Primärsaldos nach Abzug der staatlichen Stützungsmaßnahmen für den Finanzsektor. Die abgebildeten Zahlen sind auch um die erwarteten Zuschüsse aus dem Programm Next Generation EU (NGEU) auf der Einnahmenseite bereinigt. Eine negative (positive) Zahl impliziert eine Lockerung (Straffung) des finanzpolitischen Kurses.
2) Berechnet als öffentlicher Finanzierungssaldo, bereinigt um vorübergehende Effekte des Konjunkturzyklus und um Maßnahmen, die laut Definition des Europäischen Systems der Zentralbanken als befristet einzustufen sind.
Der Finanzierungssaldo des Euroraums dürfte sich über den gesamten Projektionszeitraum hinweg verbessern, wenn auch in geringerem Maße als im Juni angenommen. Die Schuldenquote wird sich den Projektionen zufolge erhöhen. Das Defizit des Euroraums wird den Projektionen zufolge zurückgehen. 2026 dürfte es auf den Referenzwert von 3 % des BIP sinken. Dies ist in erster Linie auf ein niedrigeres konjunkturbereinigtes Primärdefizit über den gesamten Projektionszeitraum und insbesondere im Jahr 2024 zurückzuführen. Dieses dürfte den Anstieg der Zinsausgaben überwiegen. Es wird angenommen, dass die konjunkturelle Komponente weitgehend unverändert bleibt. Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni wurde der Finanzierungssaldo für den gesamten Projektionszeitraum nach unten korrigiert. Dies ist in erster Linie auf die oben beschriebenen Veränderungen bei den diskretionären haushaltspolitischen Maßnahmen und auf negative Struktureffekte zurückzuführen. Diese Effekte ergeben sich aus Abwärtskorrekturen bei den Grundlagen für ergiebige Steuerarten, zum Beispiel bei den Arbeitnehmerentgelten und den nominalen privaten Konsumausgaben. Die Schuldenquote des Euroraums dürfte über den Projektionszeitraum hinweg ansteigen, da die günstigen Zins-Wachstums-Differenzen durch kontinuierliche (wenn auch rückläufige) Primärdefizite und positive Deficit-Debt-Adjustments mehr als ausgeglichen werden. Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni wurde die Schuldenquote aufgrund der größeren Primärdefizite und der etwas höheren Zins-Wachstums-Differenzen nach oben korrigiert.
5 Preise und Kosten
Die HVPI-Gesamtinflation wird sich den Projektionen zufolge im letzten Quartal 2024 etwas erhöhen, bevor sie 2025 auf 2,2 % und 2026 auf 1,9 % zurückgeht (Abbildung 6). Die am HVPI gemessene Gesamtinflation dürfte im September sinken und dann bis Jahresende vorwiegend aufgrund von Basiseffekten bei den Energiepreisen wieder ansteigen, bevor sich erneut ein Abwärtstrend einstellt. Die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel (HVPIX) dürfte sich im restlichen Jahresverlauf 2024 mit Raten um 3 % im Wesentlichen seitwärts entwickeln. Anfang 2025 dürfte unter dem Einfluss der Dienstleistungskomponente ein Rückgang einsetzen. Alles in allem bedeutet dies, dass die Gesamtinflation weiterhin einer langsamen disinflationären Entwicklung folgt. Nach wie vor wird erwartet, dass das Inflationsziel von 2 % entsprechend den Projektionen vom Juni 2024 im vierten Quartal 2025 erreicht wird.
Der Preisauftrieb bei Energie wird den Projektionen zufolge in den kommenden Monaten eine gewisse Volatilität aufweisen und dann auf mittlere Sicht verhalten ausfallen. Im dritten Quartal 2024 dürfte der Preisauftrieb bei Energie wieder ins Negative umschlagen und dann bis Ende 2024, hauptsächlich aufgrund von Basiseffekten bei den Kraftstoffpreisen, in den positiven Bereich zurückkehren. Auch für die erste Jahreshälfte 2025 wird für den Preisauftrieb bei Energie eine gewisse Volatilität erwartet; so dürften im Zusammenhang mit dem Auslaufen einiger noch bestehender fiskalpolitischer Maßnahmen im Energiebereich[8] die Preise im Januar ansteigen. Die Gesamtinflation bei Kraftstoffen dürfte über den Projektionszeitraum hinweg negativ bleiben, da die Preiskurven bei Ölterminkontrakten nach unten gerichtet sind. Zum Teil wird dies durch positive Inflationsraten bei den Gas- und Strompreisen ausgeglichen, die in gewissem Umfang auch auf klimabezogene fiskalpolitische Maßnahmen zurückgehen. Insgesamt gesehen dürfte der Preisauftrieb bei Energie in den Jahren 2025 und 2026 gedämpft ausfallen und so gut wie keinen Beitrag zum Gesamt-HVPI leisten (Abbildung 7, Grafik a und Abbildung 8).
Die Teuerung bei Nahrungsmitteln dürfte auf kurze Sicht weitgehend unverändert bleiben und anschließend leicht zurückgehen. Grund ist die verhaltene Entwicklung der Vorleistungskosten (Abbildung 7, Grafik b). Die Teuerung bei Nahrungsmitteln ging im Juli schrittweise auf 2,3 % zurück. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Preisdruck auf den vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette nachgelassen hat, nachdem die Auswirkungen früherer Preisschocks bei Energie und Nahrungsmittelrohstoffen abgeklungen sind. Gegen Ende 2024 wird ein leichter Anstieg der Teuerung bei Nahrungsmitteln erwartet. In den ersten drei Quartalen 2025 wird sie sich den Erwartungen zufolge weitgehend seitwärts bewegen und aufgrund der Inflation bei den verarbeiteten Nahrungsmitteln rund 2,5 % betragen. Anschließend dürfte sie auf durchschnittlich 2,1 % im Jahr 2026 zurückgehen. Diese Annahme basiert zum Teil auf der Erwartung einer moderaten Entwicklung der Nahrungsmittelrohstoffpreise.
Tabelle 5
Preis- und Kostenentwicklung für den Euroraum
(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %, Korrekturen in Prozentpunkten)
| September 2024 | Korrekturen gegenüber Juni 2024 | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | |
HVPI | 5,4 | 2,5 | 2,2 | 1,9 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
HVPI ohne Energie | 6,3 | 2,9 | 2,4 | 2,0 | 0,0 | 0,1 | 0,1 | -0,1 |
HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel | 4,9 | 2,9 | 2,3 | 2,0 | 0,0 | 0,1 | 0,1 | 0,0 |
HVPI ohne Energie, Nahrungsmittel und Änderungen indirekter Steuern | 5,0 | 2,8 | 2,3 | 2,0 | 0,0 | 0,1 | 0,1 | 0,0 |
HVPI für Energie | -2,0 | -1,4 | 1,1 | 0,6 | 0,0 | -0,6 | 0,1 | 0,3 |
HVPI für Nahrungsmittel | 10,9 | 2,9 | 2,4 | 2,1 | 0,0 | -0,1 | -0,3 | -0,1 |
BIP-Deflator | 5,8 | 3,1 | 2,4 | 2,0 | -0,2 | -0,2 | 0,0 | 0,0 |
Importdeflator | -2,8 | -0,4 | 1,7 | 1,8 | 0,1 | -0,2 | -0,3 | -0,1 |
Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer | 5,3 | 4,5 | 3,6 | 3,2 | 0,1 | -0,3 | 0,1 | 0,0 |
Produktivität je Arbeitnehmer | -0,9 | 0,0 | 0,9 | 1,1 | 0,0 | -0,1 | -0,1 | 0,0 |
Lohnstückkosten | 6,2 | 4,5 | 2,6 | 2,1 | 0,1 | -0,2 | 0,1 | 0,0 |
Stückgewinne1) | 5,7 | 0,2 | 1,6 | 1,6 | -0,5 | 0,1 | -0,3 | 0,0 |
Anmerkung: Die Korrekturen wurden auf Basis gerundeter Zahlen berechnet. Die Zahlen für den BIP- und den Importdeflator, die Lohnstückkosten, das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und die Arbeitsproduktivität beziehen sich auf saison- und arbeitstäglich bereinigte Daten. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die Daten, darunter auch vierteljährliche Daten, können über die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB heruntergeladen werden.
1) Die Stückgewinne sind definiert als Bruttobetriebsüberschuss und Selbständigeneinkommen (bereinigt um das Arbeitseinkommen der Selbstständigen) je Einheit des realen BIP.
Abbildung 7
Ausblick für die HVPI-Inflation für Energie und Nahrungsmittel
a) HVPI Energie | b) HVPI Nahrungsmittel |
---|---|
Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums.
Es wird erwartet, dass sich die HVPIX-Inflation im Projektionszeitraum verlangsamt und 2026 durchschnittlich 2,0 % betragen wird (Abbildung 9). Der Rückgang der HVPIX-Inflation bis Mitte 2024 war vor allem auf den nachlassenden Preisauftrieb bei den Industrieerzeugnissen ohne Energie zurückzuführen. Allerdings wird erwartet, dass Letzterer Ende 2024 leicht ansteigen wird. Bei den Dienstleistungen erwies sich der Preisauftrieb als dauerhafter und bewegte sich in der ersten Jahreshälfte 2024 bei Werten von rund 4 % im Wesentlichen seitwärts. Dies dürfte sich im weiteren Jahresverlauf nicht ändern. Die für 2025 und 2026 projizierte Abschwächung der HVPIX-Inflation ergibt sich aus einem allmählichen Rückgang der Teuerung bei Dienstleistungen, getragen vom Abklingen der nach der Pandemie eingetretenen Wiederöffnungseffekte und dem späteren Nachlassen des Arbeitskostendrucks. Die Inflation bei den Waren dürfte sich etwa im Rahmen der historischen Durchschnittswerte bewegen. Allgemein betrachtet kommt im Disinflationsprozess im Zusammenhang mit der HVPIX-Inflation der verbleibende Abwärtsdruck durch die nachlassenden indirekten Auswirkungen der vergangenen Energiepreisschocks zum Ausdruck, ebenso wie der Abwärtsdruck durch das anhaltende Durchwirken der geldpolitischen Straffung, auch über ein geringeres Lohnwachstum.
Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni 2024 sind die Aussichten für die HVPI-Inflation unverändert geblieben (Abbildung 10). Für 2024 wird die Aufwärtskorrektur der HVPIX-Inflation durch eine Abwärtskorrektur der Teuerung für Energie und Nahrungsmittel ausgeglichen. Die Aufwärtskorrektur der HVPIX-Inflation für 2024 und 2025 ergibt sich in erster Linie aus unerwarteten Daten in den letzten Monaten, die durch eine höhere HVPI-Inflation bei Dienstleistungen zustande gekommen sind. Die Entwicklung der HVPIX-Inflation im Vorquartalsvergleich wurde ab der zweiten Jahreshälfte 2025 geringfügig nach unten korrigiert. Dies steht im Einklang mit der Abwärtskorrektur des realen BIP und der Reallöhne sowie dem Abwärtsdruck infolge der Aufwertung des Euro, der zum Teil durch die indirekten Auswirkungen der erwarteten höheren Gaspreise ausgeglichen wird. Die Abwärtskorrektur bei der HVPI-Teuerungsrate für Nahrungsmittel im gesamten Projektionszeitraum ergab sich vor allem daraus, dass die jüngsten Daten niedriger ausfielen als erwartet und die Preisannahmen für Nahrungsmittelrohstoffe gesenkt wurden. Später im Projektionszeitraum wird der Preisauftrieb bei Energie entsprechend der Aufwärtskorrektur bei den erwarteten Großhandelspreisen für Gas und Strom nach oben korrigiert (Kasten 1).
Das Wachstum der Nominallöhne wird den Projektionen zufolge zwar allmählich zurückgehen, aber auf erhöhtem Niveau verharren, sodass die Reallöhne rasch wieder das Niveau erreichen können, das vor dem Inflationsschub herrschte (Abbildung 11). Das Wachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer belief sich im ersten Quartal 2024 auf 4,7 %. Es dürfte im zweiten Quartal weiter auf 4,6 % zurückgegangen sein (und damit den in den Projektionen vom Juni erwarteten Wert um 0,5 Prozentpunkte unterschreiten).[9] In der zweiten Jahreshälfte wird es den Projektionen zufolge weiter sinken – auf durchschnittlich 4,5 % im Jahr 2024 – und über den Projektionszeitraum hinweg weiter zurückgehen. Dennoch wird erwartet, dass es aufgrund der weiterhin angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt und dem verbleibenden Inflationsausgleich im historischen Vergleich erhöht bleibt. Der Anstieg der Tariflöhne dürfte im weiteren Jahresverlauf 2024 geringfügig ausfallen und dann im Einklang mit der geringeren Inflation allmählich nachlassen. Für 2026 wird mit einem Anstieg des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer um 3,2 % gerechnet. Diese Rate ist geringfügig höher als die Summe aus dem projizierten Produktivitätswachstum und der HVPI-Inflation. Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni 2024 wurde das Wachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer für 2024 um 0,3 Prozentpunkte nach unten korrigiert, da die Daten für die erste Jahreshälfte anders ausfielen als erwartet. Im dritten Quartal 2024 dürften die Reallöhne, wie in den Projektionen vom Juni 2024 erwartet, auf das Niveau von Anfang 2022 zurückkehren. Anschließend ist ein baldiger Rückgang auf das Niveau von Anfang 2021 zu erwarten.
Das Wachstum der Lohnstückkosten wird den Projektionen zufolge deutlich zurückgehen. Bereits jetzt ist das Wachstum der Lohnstückkosten von seinen historischen Höchstständen 2023 auf schätzungsweise 4,7 % im zweiten Quartal 2024 zurückgegangen.[10] Für 2026 wird ein weiteres, starkes Absinken auf 2,1 % erwartet, das sich aus dem projizierten Anstieg des Produktivitätswachstums in Verbindung mit dem Rückgang des Lohnwachstums ergibt. Dennoch wird das Wachstum der Lohnstückkosten weiterhin deutlich oberhalb des vor der Pandemie verzeichneten Durchschnitts von 1,5 % liegen. Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni 2024 wurde das Wachstum der Lohnstückkosten für 2024 um 0,2 Prozentpunkte nach unten und für 2025 um 0,1 Prozentpunkte nach oben korrigiert. Grund sind die Korrekturen beim Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer. 2025 wird die Entwicklung durch ein leicht verlangsamtes Produktivitätswachstum verstärkt.
Der am Wachstum des BIP-Deflators gemessene binnenwirtschaftliche Preisdruck wird den Projektionen zufolge weiter nachlassen. Dabei dürfte das Gewinnwachstum zunächst als Puffer für einen hohen Arbeitskostendruck dienen und sich anschließend erholen (Abbildung 12). Die Jahreswachstumsrate des BIP-Deflators ist in den letzten Quartalen stark zurückgegangen und lag im zweiten Quartal 2024 bei 3,2 %.[11] Den Projektionen zufolge wird sie 2024 durchgängig weiter abnehmen und im Jahresdurchschnitt 3,1 % betragen. Anschließend setzt sich der Rückgang verlangsamt fort, sodass 2026 eine Rate von durchschnittlich 2,0 % erreicht wird. Das Wachstum der Stückgewinne verzeichnete Ende 2022 seinen Höchststand und schlug im zweiten Quartal 2024 in den negativen Bereich um.[12] Es dürfte auch im weiteren Jahresverlauf 2024 hinter dem Wachstum der Lohnstückkosten zurückbleiben. Dies impliziert, dass die Gewinnmargen als Puffer für das relativ kräftige Wachstum der Arbeitskosten wirken. Da sich das Wachstum der Lohnstückkosten abschwächt und auch die sonstigen Vorleistungskosten nur begrenzt ansteigen, dürfte das Wachstum der Stückgewinne ab 2025 etwas anziehen. Gestützt wird dies durch die konjunkturelle Erholung und das erstarkende Produktivitätswachstum. Im Vergleich zu den Projektionen vom Juni 2024 wurde das Wachstum des BIP-Deflators für 2024 nach unten korrigiert, für 2025 und 2026 jedoch unverändert beibehalten. Die Stückgewinne wurden für 2024 leicht nach oben und für 2025 um 0,3 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Dadurch werden die Abwärtskorrektur der Lohnstückkosten für 2024 und die geringfügige Aufwärtskorrektur für 2025 abgefedert.
Abbildung 12
Binnenwirtschaftlicher Preisdruck
a) BIP-Deflator und seine Komponenten | B) BIP-Deflator und seine Komponenten – Korrekturen gegenüber den Projektionen vom Juni 2024 |
---|---|
Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums.
Der Auftrieb bei den Importpreisen dürfte sich nach einer negativen Jahreswachstumsrate im Jahr 2024 in den späteren Jahren des Projektionszeitraums weiterhin unterhalb von 2 % bewegen. Das Wachstum des Importdeflators dürfte sich von -2,8 % im Jahr 2023 auf -0,4 % im Jahr 2024, 1,7 % im Jahr 2025 und schließlich auf 1,8 % im Jahr 2026 erhöhen. Es wurde für den gesamten Projektionszeitraum nach unten korrigiert, wie es den Korrekturen bei den Exportpreisen der Wettbewerber und der leichten Aufwertung des Euro infolge der technischen Annahmen entspricht (Kasten 1).
6 Szenario- und Sensitivitätsanalysen
Divergierende Entwicklungen der Energiepreise
Die künftige Entwicklung der Preise für Energierohstoffe ist nach wie vor sehr ungewiss, und divergierende Entwicklungen der Rohstoffpreise für Öl und Gas hätten erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftsaussichten, insbesondere auf die Inflation. Die Projektionen beruhen auf den in Kasten 1 dargelegten technischen Annahmen. Diese Sensitivitätsanalyse bildet indes divergierende ab- bzw. aufwärtsgerichtete Entwicklungen ab, die aus dem 25. und 75. Perzentil der optionsbasierten neutralen Dichten für die Öl- und Gaspreise abgeleitet werden.[13] Die divergierenden Entwicklungen für die Ölpreise sind symmetrisch um das Basisszenario verteilt und spiegeln weitgehend ausgewogene Risiken wider. Die Verteilung der Gaspreise hingegen deutet auf Aufwärtsrisiken für die technischen Annahmen hin (siehe Abbildung 13). Darin kommen wahrscheinlich adverse geopolitische Risiken zum Ausdruck, wie die Eskalation der Spannungen im Nahen Osten und der Vormarsch ukrainischer Truppen auf russisches Hoheitsgebiet. Sowohl für Öl als auch für Gas wird der Entwicklungsverlauf auch unter der Annahme konstanter Preise betrachtet. In jedem Fall wird ein synthetischer Energiepreisindex (ein gewichteter Durchschnitt der Öl- und der Gaspreisentwicklung) berechnet. Zudem werden anhand von Modellen der EZB und des Eurosystems die makroökonomischen Auswirkungen untersucht. Die Ergebnisse sind in Tabelle 6 dargestellt. Sie deuten darauf hin, dass die Inflation insgesamt stärker von Aufwärts- als von Abwärtsrisiken betroffen ist und die Risiken für das BIP-Wachstum geringer ausfallen.
Tabelle 6
Divergierende Entwicklungsverläufe für Energiepreise und ihre Auswirkungen auf das Wachstum des realen BIP und die HVPI-Inflation
Entwicklungsverlauf 1: 25. Perzentil | Entwicklungsverlauf 2: 75. Perzentil | Entwicklungsverlauf 3: konstante Preise | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2024 | 2025 | 2026 | 2024 | 2025 | 2026 | 2024 | 2025 | 2026 | |
(Abweichungen vom Basisszenario in %) | |||||||||
Ölpreis | -4,0 | -14,1 | -19,1 | 3,6 | 14,8 | 18,5 | 1,2 | 8,1 | 12,3 |
Gaspreis | -10,2 | -19,8 | -23,8 | 7,2 | 21,1 | 26,6 | -2,4 | -6,9 | 7,9 |
Synthetischer Energie-preisindex | -7,3 | -16,8 | -20,0 | 6,7 | 19,3 | 24,3 | 0,0 | 2,1 | 10,6 |
(Abweichungen von den Wachstums-raten im Basisszenario in Prozent-punkten) | |||||||||
Wachstum des realen BIP | 0,0 | 0,1 | 0,1 | 0,1 | -0,1 | -0,1 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
HVPI-Inflation | -0,2 | -0,6 | -0,3 | 0,3 | 0,8 | 0,4 | 0,0 | 0,1 | 0,3 |
Anmerkungen: Bei dieser Sensitivitätsanalyse wird ein synthetischer Energiepreisindex verwendet, der die Preise für Öl- und Gasterminkontrakte kombiniert. Das 25. und das 75. Perzentil beziehen sich auf die optionsbasierten neutralen Dichten für die Öl- und Gaspreise am 16. August 2024. Die konstanten Öl- und Gaspreise nehmen ihren jeweiligen Wert zum selben Zeitpunkt an. Die makroökonomischen Auswirkungen werden als Durchschnittswerte aus einigen von Fachleuten der EZB bzw. des Eurosystems verwendeten makroökonomischen Modellen ausgewiesen.
Kasten 2
Alternative Szenarien für das Verbrauchervertrauen und die Folgen für die Wirtschaft
In dieser Szenarioanalyse werden die Risiken für die Basisprojektion vom September 2024 untersucht, die sich aus potenziellen Schocks für das Verbrauchervertrauen ergeben. Im Rahmen der Analyse werden die jüngsten Entwicklungen überprüft und wird anhand eines empirischen Modells beurteilt, wie sich unerwartete Veränderungen des Verbrauchervertrauens auf die Konsum-, Wohnungsbauinvestitions- und Sparentscheidungen der privaten Haushalte auswirken. Anschließend werden mithilfe des ECB-BASE-Modells die weiterreichenden Auswirkungen auf die Konjunktur und die Inflation untersucht, die sich aus den durch Vertrauensschocks ausgelösten divergierenden Spar- und Ausgabenentscheidungen ergeben.
Das Verbrauchervertrauen ist zu Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine eingebrochen und seitdem trotz einer gewissen Erholung verhalten geblieben. Seit Anfang 2022 ist das Verbrauchervertrauen im Euroraum einer Reihe schwerwiegender wirtschaftlicher Schocks ausgesetzt, einschließlich des starken Preisauftriebs bei Energie und des rapiden Anstiegs der Gesamtinflation, der kräftigen Straffung der Geldpolitik und der erhöhten Unsicherheit. Als Folge erreichte es im September 2022 einen Tiefpunkt (siehe Abbildung A, Grafik b). Nach diesem anfänglichen drastischen Rückgang hat sich das Verbrauchervertrauen in den letzten Quartalen wieder erholt, liegt aber nach wie vor unter seinem Vorkriegsniveau. In Verbindung mit dem Nachlassen der positiven Effekte, die sich aufgrund des Wiederhochfahrens der Wirtschaft ergaben, hat dieses anhaltend gedämpfte Verbrauchervertrauen die außergewöhnlich starke Erholung nach der Pandemie bei den Konsumausgaben und Wohnungsbauinvestitionen gebremst und stattdessen zu einem Anstieg der Ersparnisse geführt (siehe Abbildung A, Grafik a).
Abbildung A
Private Konsumausgaben, Wohnungsbauinvestitionen, Sparquote und Verbrauchervertrauen seit 2022
a) private Konsumausgaben, Wohnungsbauinvestitionen und Sparquote | b) Verbrauchervertrauen und Unsicherheit |
Quellen: Eurostat, Europäische Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen (DG-ECFIN) und Berechnungen von Fachleuten der EZB.
Anmerkungen: In Grafik b sind die Daten für die gesamte verfügbare Stichprobe standardisiert – von Januar 1999 bis August 2024 für das Vertrauen und von April 2019 bis Juli 2024 für die Unsicherheit. Die gestrichelte blaue Linie bezieht sich auf eine Projektion des Verbrauchervertrauens, die mit den anhand des in Abbildung B beschriebenen empirischen Modells erstellten Basisprojektionen im Einklang steht. Die in der Abbildung dargestellten divergierenden Entwicklungen beim Verbrauchervertrauen sind nachstehend beschrieben. In Grafik b markiert die vertikale Linie den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das erste Quartal 2024 (Grafik a) bzw. August 2024 (Grafik b).
Ein empirisches Modell deutet darauf hin, dass unerwartete Veränderungen des Verbrauchervertrauens erhebliche Auswirkungen auf die privaten Konsumausgaben, die Wohnungsbauinvestitionen und die Sparquote haben. Ein strukturelles Bayesianisches Vektorautoregressionsmodell (BVAR-Modell) wird anhand von Daten für den Euroraum aus dem Zeitraum vom ersten Quartal 1999 bis zum vierten Quartal 2019 geschätzt. Darin sind das Verbrauchervertrauen, die privaten Konsumausgaben, die Wohnungsbauinvestitionen, der Zinssatz, das real verfügbare Einkommen und der Deflator der privaten Konsumausgaben enthalten. Das Modell verwendet ein rekursives Identifikationsschema, um die Auswirkungen von Verbrauchervertrauensschocks aufzugliedern.[14] Infolge eines ungünstigen Schocks, der das Verbrauchervertrauen um eine Standardabweichung verringert, sinken das verfügbare Einkommen und die privaten Konsumausgaben nach acht Quartalen um rund 0,8 % bzw. 0,6 %, womit ein neuer Tiefstand erreicht wird. Dies führt dazu, dass die Sparquote einen Anstieg um rund 0,9 Prozentpunkte verzeichnet, und damit einen neuen Höchststand erreicht.[15] Auch die Wohnungsbauinvestitionen sinken infolge eines ungünstigen Vertrauensschocks, wobei nach ungefähr sieben Quartalen ein Rückgang um 1,2 % verzeichnet wird und damit ein neuer Tiefstand erreicht wird. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Eintrübung des Verbrauchervertrauens die Ausgaben und Investitionen der privaten Haushalte dauerhaft belastet und gleichzeitig ihre Sparneigung – auch aus Vorsichtsgründen – verstärkt.
Abbildung B
Die geschätzten Auswirkungen von Verbrauchervertrauensschocks auf das real verfügbare Einkommen, die privaten Konsumausgaben und die Wohnungsbauinvestitionen
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Quellen: Eurostat, DG-ECFIN und Berechnungen von Fachleuten der EZB.
Anmerkungen: Die Schätzung des Modells basiert auf Daten für den Euroraum aus dem Zeitraum vom ersten Quartal 1999 bis zum vierten Quartal 2019 für das Verbrauchervertrauen, die privaten Konsumausgaben, die Wohnungsbauinvestitionen, den Zinssatz, das real verfügbare Einkommen und den Deflator der privaten Konsumausgaben. Der Zinssatz wird als Durchschnitt der kurz- und langfristigen Zinssätze für staatliche Schuldtitel und staatliche Kreditaufnahmen berechnet. Mit Ausnahme des Zinssatzes fließen die Variablen logarithmiert in das Modell ein. Die Schätzung des Modells erfolgt mit vier Verzögerungen. Zugrunde gelegt wird ein Identifikationsschema nach Cholesky mit dem Deflator der privaten Konsumausgaben an erster Stelle, gefolgt von dem real verfügbaren Einkommen, den privaten Konsumausgaben, den Wohnungsbauinvestitionen, den Zinssätzen und dem Verbrauchervertrauen. Die in der Abbildung dargestellten Antworten sind auf einen durch einen Schock bedingten Rückgang des Verbrauchervertrauens um eine Standardabweichung normalisiert. Die blauen Bereiche markieren die Konfidenzintervalle von 68 %. Die Auswirkungen auf die Sparquote werden anhand der modellbasierten Effekte von Vertrauensschocks auf das real verfügbare Einkommen und die realen privaten Konsumausgaben berechnet. Die Entwicklung der impliziten Sparquote ist in Abbildung C dargestellt.
Zur Beurteilung der weitreichenden Auswirkungen auf die Konjunktur und die Inflation fließen auf der Grundlage der empirischen Ergebnisse drei divergierende Entwicklungen für die Sparquote und die Wohnungsbauinvestitionen, die unterschiedliche Verbrauchervertrauensschocks widerspiegeln, in das ECB-BASE-Modell ein.[16],[17] Im ersten Szenario (geringeres Vertrauen) wird davon ausgegangen, dass sich das Verbrauchervertrauen im vierten Quartal 2024 um eine Standardabweichung verschlechtert und danach verhalten bleibt (siehe Abbildung A, Grafik b). Ein solches Szenario könnte durch die zunehmende geopolitische Unsicherheit und die länger anhaltende dämpfende Wirkung der nach wie vor erhöhten Finanzierungskosten bedingt sein. Dieses Szenario führt für den verbleibenden Projektionszeitraum aus Vorsichtsgründen zu einem Anstieg der Sparquote über die des Basisszenarios. Folglich sinken die Wohnungsbauinvestitionen, da die privaten Haushalte ihre Investitionsentscheidungen an die sich verschlechternden Aussichten anpassen. Im zweiten Szenario (höheres Vertrauen) hingegen wird aufgrund eines günstigen Schocks um eine Standardabweichung im vierten Quartal 2024 von einer schnelleren Verbesserung des Verbrauchervertrauens im Vergleich zum Basisszenario ausgegangen. Dieses Szenario könnte durch günstigere Aussichten im Zusammenhang mit der nachlassenden Inflation, der robusten Arbeitsmarktlage, der Erholung der realen Einkommen und der weiter nachlassenden Verbraucherunsicherheit ausgelöst werden. Das stärkere Verbrauchervertrauen führt zu einer niedrigeren Sparquote, die Ende 2026 auf ihr Vorpandemieniveau fällt, sowie zu höheren Ausgaben und Wohnungsbauinvestitionen. Im dritten Szenario (vorübergehend geringeres Vertrauen) wird davon ausgegangen, dass das Verbrauchervertrauen im vierten Quartal 2024 zunächst um eine Standardabweichung zurückgeht, sich dann aber im dritten Quartal 2025 wieder in gleichem Umfang erholt. Dies führt dazu, dass die Sparquote zunächst über die des Basisszenarios steigt, bevor sie sich dieser nach dem günstigen Vertrauensschock in der zweiten Jahreshälfte 2025 allmählich wieder annähert (siehe Abbildung C). Das Szenario mit dem niedrigeren Vertrauen führt dazu, dass das Wachstum des realen BIP in den Jahren 2025 und 2026 um 0,3 bzw. 0,6 Prozentpunkte unter dem des Basisszenarios liegt, wobei die realen privaten Konsumausgaben im Jahr 2025 um 0,4 Prozentpunkte und im Jahr 2026 um 0,9 Prozentpunkte gegenüber den Werten des Basisszenarios sinken (siehe Tabelle A). Damit einher gehen die negativen Auswirkungen auf das Beschäftigungswachstum in Höhe von 0,1 Prozentpunkten im Jahr 2025 und 0,2 Prozentpunkten im Jahr 2026. Die HVPI-Inflation wäre im Jahr 2026 um 0,1 Prozentpunkte niedriger. Das Szenario mit dem höheren Vertrauen impliziert weitgehend symmetrische positive Effekte auf das BIP, den Konsum und die Inflation. Das Szenario mit dem vorübergehend geringeren Vertrauen impliziert in den Jahren 2024 bis 2026 kumulierte Abweichungen des realen BIP-Wachstums um -0,1 Prozentpunkte gegenüber dem Basisszenario mit größeren Auswirkungen auf die privaten Konsumausgaben, während die Auswirkungen auf die Inflation marginal sind.
Das derzeit noch verhaltene Verbrauchervertrauen dürfte die Ausgaben-, Investitions- und Sparentscheidungen der privaten Haushalte auf kurze Sicht belasten. Ohne weitere ungünstige Schocks dürfte sich die allmähliche Erholung des Verbrauchervertrauens im Euroraum dennoch fortsetzen. Ausschlaggebend dafür sind die nachlassende Inflation, die robuste Arbeitsmarktlage, die Erholung der realen Einkommen und die nachlassende Verbraucherunsicherheit. Unterdessen dürften die dämpfenden Effekte der nach wie vor erhöhten Finanzierungskosten noch einige Zeit anhalten und die Erholung des Verbrauchervertrauens verlangsamen.
Tabelle A
Auswirkungen von Verbrauchervertrauensschocks auf das Wachstum des realen BIPs, die HVPI-inflation und die privaten Konsumausgaben
(Abweichung vom Basisszenario in Prozentpunkten)
Wachstum des realen BIP | Wachstum der privaten Konsumausgaben | HVPI-Inflation | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2024 | 2025 | 2026 | kumuliert | 2024 | 2025 | 2026 | kumuliert | 2024 | 2025 | 2026 | kumuliert | |
Szenario 1: Geringeres Vertrauen | 0,0 | -0,3 | -0,6 | -0,9 | 0,0 | -0,4 | -0,9 | -1,4 | 0,0 | 0,0 | -0,1 | -0,1 |
Szenario 2: Höheres Vertrauen | 0,0 | 0,3 | 0,5 | 0,9 | 0,0 | 0,4 | 0,9 | 1,4 | 0,0 | 0,0 | 0,1 | 0,1 |
Szenario 3: Vorübergehend geringeres Vertrauen | 0,0 | -0,3 | 0,1 | -0,1 | 0,0 | -0,4 | 0,1 | -0,3 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Quellen: Das ECB-BASE-Modell und Berechnungen von Fachleuten der EZB.
Anmerkungen: Simulation mit ECB-BASE unter Verwendung der „Modalität der Projektionsaktualisierung“ mit exogenem Wechselkurs sowie Geld- und Finanzpolitik. Zudem werden andere Kanäle ausgeschlossen, die die Auswirkungen von Verbrauchervertrauensschocks verstärken könnten, wie etwa ein entsprechendes Szenario für das internationale Umfeld oder direkte Effekte aufgrund von Erwartungen. Szenario 1 („geringeres Vertrauen“) ergibt sich aus der Auferlegung von Reaktionen der Wohnungsbauinvestitionen und der Sparquote, die mit einem günstigen Schock um eine Standardabweichung für das Verbrauchervertrauen im Einklang stehen (siehe Abbildung B), während Szenario 2 („höheres Vertrauen“) Entwicklungen auferlegt, die mit einem nachteiligen Schock um eine Standardabweichung im Einklang stehen. Szenario 3 („vorübergehend niedrigeres Vertrauen“) ergibt sich aus der Auferlegung von Reaktionen der Wohnungsbauinvestitionen und der Sparquote, die mit einem ungünstigen Schock um eine Standardabweichung in Einklang stehen, gefolgt von einem günstigen Schock in gleichem Umfang nach vier Quartalen. Die Reaktion der privaten Konsumausgaben steht im Einklang mit der von ECB-BASE implizierten Reaktion. Alle Zahlen werden als Abweichungen vom Basisszenario in Prozentpunkten ausgewiesen und auf eine Dezimalstelle gerundet.
Kasten 3
Vergleich mit Prognosen anderer Institutionen und des privaten Sektors
Die von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen vom September 2024 für das BIP und die HVPI-Inflation liegen weitgehend innerhalb der Bandbreite anderer Prognosen. Für die Kerninflation in den Jahren 2024 und 2025 liegen sie leicht darüber. Die von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen für das Wachstum liegen für die Jahre 2024 und 2025 innerhalb einer recht engen Bandbreite von Prognosen anderer Institutionen und Umfragen privater Prognoseunternehmen, für das Jahr 2026 liegen sie jedoch leicht oberhalb der Bandbreite. Was die HVPI-Inflation betrifft, so liegen die von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen für 2024 und 2025 am oberen Rand der Bandbreite. Für 2026 stimmen die von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen von 1,9 % mit anderen Prognosen überein. Bei der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel liegen die von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen für die Jahre 2024 und 2025 leicht oberhalb der Bandbreite, in der sich andere Prognosen bewegen.
Tabelle
Vergleich der jüngsten Prognosen zum Wachstum des realen BIP und zur HVPI-Inflation im Euroraum
(Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in %)
| Datum der | BIP-Wachstum | HVPI-Inflation | HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2024 | 2025 | 2026 | 2024 | 2025 | 2026 | 2024 | 2025 | 2026 | ||
EZB-Projektionen | September 2024 | 0,8 | 1,3 | 1,5 | 2,5 | 2,2 | 1,9 | 2,9 | 2,3 | 2,0 |
Consensus Economics | August 2024 | 0,8 | 1,3 | 1,4 | 2,4 | 2,0 | 1,9 | 2,8 | 2,2 | – |
Survey of Professional Forecasters | Juli 2024 | 0,7 | 1,3 | 1,4 | 2,4 | 2,0 | 1,9 | 2,7 | 2,2 | 2,0 |
Internationaler Währungsfonds | Juli 2024 | 0,9 | 1,5 | – | 2,4 | 2,1 | – | – | – | – |
Europäische Kommission | Mai 2024 | 0,8 | 1,4 | – | 2,5 | 2,1 | – | 2,7 | 2,1 | – |
OECD | Mai 2024 | 0,7 | 1,5 | – | 2,3 | 2,2 | – | 2,6 | 2,1 | – |
Quellen: Prognose von Consensus Economics, 15. August 2024 (die Daten für 2026 stammen aus der Umfrage vom Juli 2024); EZB, Survey of Professional Forecasters, 19. Juli 2024; IWF, World Economic Outlook Update, 16. Juli 2024; Frühjahrsprognose 2024 der Europäischen Kommission, 15. Mai 2024; OECD Economic Outlook, 2. Mai 2024.
Anmerkungen: Da die Prognosen zu unterschiedlichen Zeitpunkten fertiggestellt wurden, sind sie untereinander bzw. mit den von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen nicht direkt vergleichbar. Darüber hinaus werden darin unterschiedliche Methoden zur Ableitung von Annahmen über fiskalische, finanzpolitische und außenwirtschaftliche Variablen (einschließlich Öl-, Gas- und sonstiger Rohstoffpreise) verwendet. Die von Fachleuten der EZB erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen verwenden arbeitstäglich bereinigte Jahreswachstumsraten für das reale BIP, während die Europäische Kommission und der Internationale Währungsfonds jährliche Zuwachsraten heranziehen, die nicht um die Zahl der Arbeitstage pro Jahr bereinigt wurden. Andere Prognosen enthalten keine Angaben dazu, ob arbeitstäglich bereinigte oder nicht arbeitstäglich bereinigte Daten ausgewiesen werden.
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Informationen zur Fachterminologie finden sich im EZB-Glossar (nur auf Englisch verfügbar).
HTML ISBN 978-92-899-6563-7, ISSN 2529-4431, doi:10.2866/056442, QB-CE-24-002-DE-Q
Redaktionsschluss für die technischen Annahmen und die Projektionen für die Weltwirtschaft war der 16. August 2024. Die vorliegenden Gesamtwirtschaftlichen Euroraum-Projektionen von Fachleuten der EZB wurden am 29. August 2024 fertiggestellt.
Sofern nicht ausdrücklich anders angegeben, schließen Verweise auf weltweite oder globale Aggregate von Konjunkturindikatoren in diesem Abschnitt den Euroraum nicht ein.
Diese Einschätzung wird durch den globalen Einkaufsmanagerindex (EMI) für den Auftragseingang im Exportgeschäft sowie die Einkaufslagerbestände gestützt, die in den kontraktiven Bereich abrutschten. Darüber hinaus deuten Nowcasts für den Handelsumsatz auf der Grundlage von Schiffsbewegungen auf eine Verlangsamung des Handels zu Beginn des dritten Quartals hin.
Eurostats erste vollständige Veröffentlichung des Wachstums des realen BIP im zweiten Quartal 2024 erfolgte erst nach Fertigstellung der Projektionen vom September 2024. Das Wachstum des realen BIP fiel etwas niedriger aus als erwartet (0,2 % gegenüber 0,3 % in den Projektionen). Die Hauptursachen waren schwächere private Konsumausgaben und Investitionen sowie ein geringerer Wachstumsbeitrag der Vorratsveränderungen. Höhere Exporte glichen diese Faktoren teilweise aus. Die Einfuhren und die staatlichen Konsumausgaben entsprachen im Großen und Ganzen den Projektionen vom September.
Siehe EZB, Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der geldpolitischen Straffung der EZB seit Dezember 2021: eine modellbasierte Auswertung, Kasten 6, Wirtschaftsbericht 3/2023.
Die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die am 6. September 2024 veröffentlicht wurden, nach Redaktionsschluss der Projektionen vom September, lassen auf ein stärkeres Exportwachstum im zweiten Quartal schließen. Grund sind vor allem volatile Daten aus Irland.
Siehe Low for long?Reasons for the recent decline in productivity , Der EZB-Blog, 6. Mai 2024.
Das Auslaufen von energie- und inflationsbezogenen finanzpolitischen Ausgleichsmaßnahmen seit Dezember 2023 wird Schätzungen zufolge die Gesamtinflation um 0,4 Prozentpunkte (2024) bzw. 0,1 Prozentpunkte (2025) erhöhen.
Laut der Eurostat-Veröffentlichung vom 6. September, die nach Fertigstellung der Projektionen vom September 2024 erschien, belief sich das Wachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer im zweiten Quartal 2024 auf 4,3 %.
Laut der Eurostat-Veröffentlichung vom 6. September stiegen die Lohnstückkosten im zweiten Quartal 2024 mit einer Jahresrate von 4,6 %.
Laut der Eurostat-Veröffentlichung vom 6. September wuchs der BIP-Deflator im zweiten Quartal 2024 mit einer Jahresrate von 3,0 %.
Laut der Eurostat-Veröffentlichung vom 6. September belief sich die Jahreswachstumsrate der Stückgewinne im zweiten Quartal 2024 auf -0,6 %.
Die verwendeten Marktpreise sind die am 16. August 2024 (Stichtag für die technischen Annahmen) geltenden Preise.
Da das Verbrauchervertrauen die Entwicklung der standardmäßigen Bestimmungsfaktoren der privaten Konsumausgaben widerspiegelt, wird es im Identifikationsschema nach Cholesky zuletzt angeordnet.
Die Auswirkungen auf die Sparquote werden anhand der empirischen modellbasierten Effekte von Vertrauensschocks auf das real verfügbare Einkommen und die realen privaten Konsumausgaben neu berechnet.
Siehe E. Angelini, N. Bokan, K. Christoffel, M. Ciccarelli und S. Zimic, Introducing ECB-BASE:The blueprint of the new ECB semi-structural model for the euro area, Working Paper Series der EZB, Nr. 2315, 2019.
Da die Entwicklungen der Sparquote und der Wohnungsbauinvestitionen auf Grundlage der empirischen Ergebnisse kalibriert werden, steht die Reaktion der privaten Konsumausgaben im Einklang mit der vom ECB-BASE-Modell implizierten Entwicklung. Auf diese Weise ist eine Reaktion des verfügbaren Einkommens ohne Einschränkungen möglich, was eine endogene Transmission des Schocks innerhalb des Modells ermöglicht.
- 12 September 2024